Redner(in): Christina Weiss
Datum: 11.04.2005
Untertitel: Rede der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Christina Weiss, gehalten bei der Auftaktveranstaltung von Klicksafe.de am 11. April 2005 in Düsseldorf.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/75/814475/multi.htm
was sind eigentlich noch wissenswürdige Dinge? Das Internet verspricht uns viel davon und lockt doch oft genug auf einen weißen Planeten zu einer Abenteuerreise. Man reist ins Ungewisse, ahnungslos, welche Abgründe sind hinter so manchen Adressen vermuten."Die wissenswürdigen Dinge", sagt Kant "häufen sich in unseren Zeiten. Bald wird unsere Fähigkeit zu schwach und unsere Lebenszeit zu kurz sein, nur den nützlichen Teil daraus zu fassen." Damit sind wir beim heutigen Thema: Wie kann man das Internet nutzen, die wissenswürdigen Dinge erkennen und verhindern, dass der Rausch des Digitalen schadet. Es geht darum, wie man sich beim Surfen schützen kann. Und wer bei einem Namen wie "klicksafe.de" an so manche AIDS-Kampagne der achtziger Jahre denkt, liegt doch eigentlich gar nicht so verkehrt. Wie wichtig die Aufgabe ist, der sich das Projekt Klicksafe.de annimmt, zeigt eine ZDF-Umfrage. Danach räumt die Mehrzahl der Befragten dem Kinder- und Jugendschutz nach dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit den zweiten Platz unter den wichtigsten Aufgaben ein, denen sich eine Gesellschaft anzunehmen hat. Erst auf dem dritten Rang landen die Rente, die Gesundheitsvorsorge oder das Bekämpfen der Kriminalität.
Extremistische und rassistische Inhalte oder Straftaten in aller Härte zu bekämpfen, wird ebenso erwartet wie ein umfassender Verbraucherschutz.
Aber selbst diese Aufzählung greift noch erheblich zu kurz: Schutzbarrieren allein gewähren noch keinen Schutz! Der Surfer muss in der Lage sein, ein hochwertiges Angebot von einem minderwertigen zu unterscheiden. Nur das führt zur Erkenntnis, schlechte Inhalte einfach ignorieren zu können. Kurzum: Ich möchte an dieser Stelle für eine umfassenden und positiven Begriff der Sicherheit im Internet plädieren.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie skeptisch die "Netzgemeinde" staatliche Maßnahmen aufgenommen hat, die das Internet sicherer machen sollen. Als der Regierungspräsident in Düsseldorf rechtsradikale Seite sperren ließ, rief das Empörung hervor. Mittlerweile sind Gerichte dieser Auffassung gefolgt. Wir können lesen, dass der Regierungspräsident zu Recht eingegriffen hat. Ein anderes Mittel stand nicht zu Gebote. Freilich macht es in einer freien Gesellschaft niemanden glücklich, wenn Angebote gesperrt werden müssen. Das gilt im übrigen auch für die Gerichte. Aber das Internet ist nun mal kein rechtsfreier Raum! Was "offline" als kriminell und jugendgefährdend gilt, kann "online" nicht als harmlos eingestuft werden!
Insofern erstaunt es mich schon, wenn ein Provider wie T-Online den Zugang zu Seiten mit den mehr als verdächtigen Namen "stormfront" und "nazi-lauck-nsdap-aufbauorganisation" fahrlässig gewähren lässt. Auch wenn der Düsseldorfer Regierungspräsident gegen dieses Unternehmen keine Sperrungsverfügung erwirken konnte, weil der Konzern außerhalb von Nordrhein-Westfalen sitzt, erwarte ich von einem Provider ein anderes Verhalten! Verantwortungsbewusstsein sieht anders aus.
Jeder weiß, dass die staatliche Aufsicht mit erheblichen Schwierigkeiten zu ringen hat.
Für das Internet existieren keine nationale Grenzen, die Inhalte sind flüchtig und die dafür Verantwortlichen nur schwer zu ermitteln, wenn sie es darauf anlegen, anonym zu bleiben. Die graue Masse der im Netz vorhandenen Daten und Anbieter ist nur schwer zu durchschauen. Die klassischen Modelle der Nationalstaaten, bei Gefahr zu regulieren und einzugreifen, erschöpfen sich. So unverzichtbar sie auf der einen Seite sind, so dringend müssen sie deshalb durch die Gesellschaft selbst ergänzt werden. Dabei sind auch internationale Organisationen gefordert. Gesellschaftliche Selbstverantwortung und politisches Handeln müssen eine Einheit bilden. Die Bundesregierung hat dies zu einem zentralen Anliegen ihrer Politik gemacht. Die Medienfreiheit entfaltet in unserer Demokratie nicht nur Rechte, sie erlegt auch besondere Pflichten auf.
Das Projekt Klicksafe.de, das sich heute vorstellt, zeigt beispielhaft, wie dieses Verständnis gesellschaftlicher Verantwortung aussehen könnte. Den Nutzern, gerade auch Kindern, Jugendlichen und deren Eltern, soll ein realistisches Bild der Chancen und Gefahren des Internet entworfen werden. Dazu brauchen wir ein Instrumentarium, das ihnen eine sichere und dennoch praktikable Nutzung ermöglicht. Öffentliche Stellen und Diensteanbieter müssen dabei partnerschaftlich zusammenwirken. Ein solches Netzwerk nutzt der Gesellschaft!
Die Politik hat sich dieses Themas in den vergangenen Jahren verstärkt angenommen. Bund und Länder gingen gemeinsam in die Offensive, um den Jugendschutz in den elektronischen Medien voranzutreiben und effektiver auszurichten. Alles steht und fällt mit einem kohärenten, praktikablen Ordnungsrahmen für die elektronischen Medien. Er muss der wachsenden technischen und inhaltlichen Konvergenz der Medien wirksamer als bisher begegnen.
Bereits vor zwei Jahren ist das neue Jugendschutzgesetz des Bundes in Kraft getreten. Hierin finden sich eine Reihe von Neuregelungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Rechtsradikalismus, Gewaltverherrlichung und Pornografie. In ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen sind die Alterskennzeichnungen auch bei Bildschirmspielen und die erweiterte Indizierungszuständigkeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.
Parallel zum Jugendschutzgesetz haben die Länder - abgestimmt mit dem Bund - mit dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag die Rechtsgrundlage auf die Online-Medien erweitert. Man stärkt die Selbstkontrolle und die Eigenverantwortung der Mediendiensteanbieter und vereinheitlicht die Aufsichtsstrukturen. Die dazu bei den Landesmedienanstalten etablierte Kommission für Jugendmedienschutz ( "KJM" ) agiert sowohl im privaten Rundfunk als auch im Internet. Mit ihrer Hilfe gelingt es, gemeinsame Schutzstandards anzuwenden.
Die KJM hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben insgesamt rund 360 Prüffälle aus dem Internet bearbeitet und 275 davon abschließend bewertet. In rund 250 Fällen stellte man unzulässige, jugendgefährdende oder entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte fest. Es interessiert mich sehr, was aus diesen Fällen geworden ist! Haben die Anbieter reumütig reagiert und abgeschafft, was abgeschafft gehört? Oder haben sie sich gegen das Einschreiten der Landesmedienanstalten gewehrt? Ich denke, wir werden im Verlauf der heutigen Veranstaltung dazu noch einiges erfahren!
Bund und Länder haben bei der Novellierung des Jugendmedienschutzes bewusst einer stärkeren Selbstkontrolle das Wort geredet. Ein neues Modell wurde erdacht. Bei der "regulierten Selbstregulierung" gibt der Gesetzgeber einen materiellen Rahmen vor, der durch die Selbstkontrolleinrichtungen ausgefüllt wird.
Staatliche Kontrolle ist damit Verantwortung zum Auffangen und ultima ratio! Wenn nötig, muss sie allerdings eingreifen!
Darüber hinaus sollen KJM und Selbstkontrolleinrichtungen eng zusammenarbeiten. Wir brauchen endlich eine taugliche Filtersoftware! Die KJM, die für die Anerkennungsentscheidungen zuständig ist, sollte hier intensiv beraten.
Die Bundesregierung hat international viel unternommen, um das Internet sicherer zu machen. Sie gehört zu den Autoren des "Safer Internet Action Plan" der Europäischen Union. Dieser Plan will Selbstkontrolle fördern und Hotlines einrichten sowie vernetzen, denen Nutzer illegale Netzinhalte melden können. Außerdem soll die Branche dazu animiert werden, Verhaltenskodizes zu entwickeln. Schließlich befasst er sich mit der Identifizierung der Webinhalte durch Filter- und Bewertungssysteme. Solche Filter- und Rankingprogramme sollen auch international aufeinander abgestimmt sein.
Ich begrüße es daher, dass die Europäische Union dem Projekt Klicksafe.de im Rahmen des "Safer Internet Action Plan" eine besondere Bedeutung zumisst. Ihm ist die mit Abstand größte Fördersumme unter den beteiligten europäischen Projekten gewährt worden ( etwa 500.000 Euro ) . Klicksafe.de zu einem nationalen Knotenpunkt auszubauen, ist ein gutes Ziel.
Aus meiner Sicht ist es richtig, wenn das Projekt Klicksafe.de darauf abhebt, dass es der Nutzer ist, der Gefahren im Internet erkennen und sich davor schützen muss. Wir können nicht ständig vom mündigen Bürger sprechen und dabei so tun, als seien die Menschen dem Rausch der Möglichkeiten hilflos ausgeliefert. Es wäre verfehlt, den Menschen die Illusion vorzugaukeln, nur der Staat oder die Internetmacher allein könnten Sicherheit bringen.
Eigenverantwortliches Verhalten der Nutzer setzt allerdings einen kompetenten Umgang mit Technik und Inhalten voraus. Damit ist angesprochen, was landläufig unter dem Stichwort "Medienkompetenz" zusammengefasst wird. Auch diesen Gedanken nimmt Klicksafe.de auf und bietet Jugendlichen, aber auch den Eltern Hilfe zur Selbsthilfe an. Viele Indizien sprechen dafür, dass gerade in diesem Punkt erhebliche Defizite bestehen. Sie können mit dem Klicksafe.de etwas abgebaut werden. Es ist zu hoffen, dass auch Schulen und Jugendeinrichtungen von diesem Angebot Gebrauch machen. Im Prinzip ist das erlebter Medienunterricht, den wir uns so sehr wünschen und den wir so sehr brauchen. Und zwar für alle!
Ein Wort zum Verbraucherschutz und zur Netzsicherheit. Unseriöse Geschäfts- und Abrechnungspraktiken, Viren, Würmer, Trojaner, das Ausspähen von Daten, unerwünschte Werbung und versteckte kostenpflichtige Angebote frustrieren viele Nutzer und richten beträchtliche Schäden an. Aber leider können nur wenige Menschen die Risiken und die tatsächliche Wirksamkeit, die unterschiedliche Sicherheitsprodukte versprechen, richtig beurteilen.
Eine Kindersicherung in der Internetnutzung kann heute noch als sicher gelten, morgen aber schon geknackt sein - sogar mit frei verfügbarer Anleitung im Internet. Experten sind sich längst einig, dass das Internet technisch heute noch in hohem Maße unsicher ist und es noch immer keine effektive Technik gibt, die diesem Misstand abhelfen könnte. Ich teile deshalb die von nicht wenigen Fachleuten geäußerte Ansicht, dass die Sicherheitsmängel nicht wenige Menschen von der Nutzung des Internet abhalten. Die kommunikativen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungspotentiale des Internet werden damit aber spürbar beeinträchtigt.
Dieser Entwicklung begegnen wir mit ernster Sorge. Sie muss nicht nur den Staat, sondern vor allem die davon betroffene Wirtschaft auf den Plan rufen. Die weit überwiegende Zahl der Diensteanbieter, die ihre Geschäfte auf seriöse Weise betreiben, darf es nicht zulassen, dass eine Minderheit "schwarzer Schafe" die gesamte digitale Welt in Misskredit bringt. An dieser Stelle ist deshalb in erster Linie unternehmerisches Engagement gefragt.
Benötigt werden, wenn ich es einmal bildhaft ausdrücken darf,"Rundum-Sorglos-Pakete" für Internetnutzer. Sie müssen deren Sicherheitsinteressen mit überschaubarem, selbst von technischen Laien handhabbarem Aufwand effektiv wahren. Das gilt etwa beim Schutz vor Computerviren oder beim elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr. Hier lastet auf der Wirtschaft zweifellos eine Bringschuld, und ich verhehle nicht, dass ich mir insoweit ein wesentlich stärkeres Engagement der Anbieter sowie der Hard- und Softwareindustrie wünschen würde.
Sicher existieren technische und kaufmännische Möglichkeiten, um die Sicherheit zu verbessern und den Verbraucher zu schützen. In erster Linie ist es aber Sache der Wirtschaft, sie zu entwickeln und zur Marktreife zu führen. Ich meine, dass hier ein riesiges Wachstumspotential erschlossen werden will.
Dem Projekt Klicksafe.de kommt jedenfalls das nicht hoch genug zu schätzende Verdienst zu, den Nutzern - und wiederum besonders Kindern, Jugendlichen und deren Eltern - eine praktische Orientierung bei der Abwehr technischer Sicherheitsrisiken und fragwürdiger kostenpflichtiger Internetangebote anzubieten. Dennoch: Ein wesentlich stärkeres Engagement der Internetwirtschaft ist das Gebot der Stunde!
Die Bundesregierung hat verbraucherschützende Vorschriften erneuert. Ich verweise auf die gesetzlichen Schritte zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensterufnummern. Mit Blick auf jugendliche Verbraucher werden nunmehr klare Regelungen für die Inanspruchnahme von Mobilfunkdiensten - z. B. Klingeltönen - vorgegeben.
Weiterhin bereiten Bundesregierung und Koalitionsfraktionen Gesetzesänderungen vor, um unverlangte und massenhafte Werbesendungen - so genannte SPAM-Mails - zu unterbinden. Wer künftig den Werbecharakter einer E-Mail oder den Absender verschleiert oder verheimlicht, soll mit einem hohen Bußgeld belegt werden können. Allerdings müssen auch hier die anderen Staaten mitziehen. Denn über 90 % der SPAM-Mails kommen aus dem Ausland.
Die Politik bleibt in diesem Punkt also gefordert. Wir brauchen hier wie auch im Bereich des Schutzes vor illegalen und jugendgefährdenden Inhalten des Internet einen kohärenten europäischen Rechtsrahmen zur Verbreitung audiovisueller Inhalte unabhängig vom Übertragungsweg. In diesem Punkt stimme ich mit der Europäischen Kommission völlig überein, die dies bereits in einer Mitteilung aus dem Jahre 1999 festgestellt hat. Wir werden uns deshalb in Brüssel weiterhin nachdrücklich dafür einsetzen.
Alle Gefahren des Internet können seine enormen Chancen für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung aber nicht beseitigen. Damit spreche ich die Angebotsseite an, die in der Sicherheitsdebatte oft nicht angemessen in den Blick genommen wird. Dies ist, wenn Sie so wollen, der positive Aspekt meines umfassenden Sicherheitsbegriffs.
Für den Nutzer beginnt es bereits beim Kauf von Hard- und Software. Sie muss nicht nur sicher, sondern auch zukunftstauglich und leicht zu bedienen sein. Wenn nicht von Anfang an so ausgerüstet, muss der Weg zu Verbesserungen und neuen medialen Möglichkeiten ein offener und nachvollziehbarer sein. Ich halte es daher für ein fatales Verständnis von Marktwirtschaft, wenn der Verbraucher hier das Risiko unternehmerischer und technischer Fehlentscheidungen zu tragen hat. Wer als Anbieter so handelt und allein auf die Duldsamkeit und Vergesslichkeit seiner Kunden setzt, wird nie die Innovationsskeptiker für sich gewinnen.
Trotz aller Umbrüche und Ungewissheiten lässt sich eine Konstante festhalten: Das Produkt, das wir via Internet hören, sehen, lesen und interaktiv verarbeiten können, ist - wie schon in der herkömmlichen Medienwelt - von besonderer Qualität. Es ist keine bloße Ware, sondern ein Kommunikationsmittel, eine Plattform für gesellschaftliche Diskurse, ein prägender Ort für Haltungen. Dies gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche, die ihren Bedarf an Information, Bildung, Orientierung, Unterhaltung und Kommunikation zunehmend durch das Internet decken.
Voraussetzung dafür, dass das Internet ein Informations- und Bildungsträger, ein kultureller Faktor wird, ist eine hohe Qualität seiner Angebote. Aktualität, Seriosität und Glaubwürdigkeit bei der Information, Innovation und Nachhaltigkeit bei der Bildung, Lustgewinn und Erbauung bei der Kultur, Anspruch und Kreativität bei der Unterhaltung sind Kriterien, an denen sich das Netz messen lassen muss. Je besser, umfänglicher, interessanter und vertrauenswürdiger die Seiten sind, desto weniger fallen die illegalen und jugendgefährdenden Inhalte ins Auge und ins Gewicht.
Hier ist also wiederum zuerst die Wirtschaft angesprochen. Das ist keine Last, sondern eine Basis großartiger Chancen - auch für die Anbieter klassischer Medien wie Zeitungs- , Zeitschriften- und Buchverleger. Sie können mit dem Pfund ihrer Professionalität und ihres Ansehens wuchern.
Hier kommt aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk ins Spiel. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind seriöse und verlässliche Informationsquellen. Als solche werden sie auch in ihren Online-Angeboten wahrgenommen. Wenn das Internet im Hinblick auf Information, Bildung und Unterhaltung in Zukunft zunehmend eine dem Rundfunk vergleichbare Funktion erfüllen und eine relevante Breitenwirkung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten soll, muss dies auch für den Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender Konsequenzen haben.
Konkret bedeutet dies nach meiner Auffassung: Der Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender muss - entgegen der Ansicht mancher Verantwortlicher in Politik, Wirtschaft und Europäischer Kommission - auch auf das Internet erstreckt werden. Es ist allerdings festzuhalten, dass eine solche "kommunikative Basisversorgung" im Bereich des Internet anders auszugestalten sein wird als beim klassischen Rundfunk. Denn das Internet funktioniert nicht ebenso wie der Rundfunkmarkt. Die öffentlich-rechtlichen Anbieter sind nicht die alleinigen Lordsiegelbewahrer für verlässliche und vielfältige Informationen. Sie sind gut beraten, die Zusammenarbeit mit privaten Anbietern zu suchen, um Synergieeffekte zu nutzen und Ressourcen zu sparen. Dies verhindert zugleich, dass die Marktchancen privater Anbieter durch die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sender gemindert werden.
Relevante Informationen müssen erschwinglich bleiben. Damit möchte ich noch einmal unterstreichen, dass Medien eben keine bloße Ware sind. Die demokratische Gesellschaft benötigt einen universellen Zugang zu Informationen. Deshalb sind Wissen und Kultur keine herkömmlichen Ressourcen für Geschäfte mit dem Internet, die der Meistbietende buchstäblich exklusiv nutzen und der Gesellschaft im Extremfall sogar völlig entziehen kann.
Das heißt aber keinesfalls, dass den Unternehmen für ihre Angebote nicht vernünftige Gewinnchancen eröffnet sein müssen. Bislang waren wir es ja gewohnt, viele Angebote im Internet ohne Zusatzkosten nutzen zu können. Für die Nutzer wäre es natürlich vorteilhaft, wenn dies prinzipiell so bleiben könnte. Allerdings ist es selbstverständlich, dass sich gewerbliche Angebote refinanzieren müssen. Hierfür brauchen wir Mittel und Wege, neue Geschäftsmodelle und Vertriebsarten.
Dies gilt umso mehr, je höher ihr Wert für den Nutzer ist. Der Nutzer kann nicht einfach erwarten, umsonst an Leistungen zu partizipieren, die einen erheblichen Investitionsaufwand und hohe Sachkompetenz voraussetzen. Die bei der Nutzung von Medienangeboten oft zu beobachtende "Gratismentalität" vieler Nutzer, die sich mitunter bis zum massenhaften Raubkopieren von Inhalten auswächst, ist deshalb sehr problematisch und kontraproduktiv. Die Unternehmen müssen einen wirtschaftlichen Anreiz haben, ihre Angebote so gut, so nutzerorientiert und - hier schließt sich wiederum der Kreis - so sicher wie nur möglich zu gestalten.
Künftig wird es auch darum gehen, das Gedächtnis unserer Welt zu digitalisieren. Das Internet biete ungeahnte Zugänge zu den weiten Hallen der Archive, zu unserer Kultur. Sie können damit einen riesigen Fundus an innovativen, wertvollen und validen Inhalten generieren. Dieser würde - richtig aufbereitet und genutzt - im Hinblick auf Aktualität und Verfügbarkeit außerhalb der Netzwelt seinesgleichen suchen. Hier liegen für Kultur- und Internetwirtschaft also ebenfalls gewaltige Wachstumschancen.
Ich betrachte es daher mit großem Interesse, dass Museen und Archive in der Initiative "Netzwerk Mediatheken" zusammenkommen, um eine gemeinsame Angebotsplattform zu errichten. In derartigen Projekten liegt, so meine ich, die wirkliche Zukunft des Internet als Informations- , Bildungs- , Orientierungs- und Kommunikationsmedium auch für private Anbieter. Dabei weiß ich sehr wohl, dass diese Ansicht nicht unumstritten ist. Denn viele Marktbeobachter halten dagegen: Je anspruchsvoller die Inhalte, desto geringer ihre Marktchance. Oder: Wirtschaftlichkeit einerseits und Vielfalt sowie Qualität andererseits schließen sich gegenseitig aus.
Obwohl für diese Analyse mit Blick auf viele Angebote prima facie manches spricht, greift sie aus meiner Sicht doch entschieden zu kurz. Das Gegenteil ist der Fall!
Es ist schon bemerkenswert, dass der ehemalige Geschäftsführer von RTL den trash-Angeboten im Fernsehen keine Zukunft mehr prophezeit. Stattdessen verlange der Nutzer Qualität und seriöse Information.
Die Suche nach den wissenswürdigen Dingen ist für die freie, demokratische öffentliche Kommunikation von Belang. Es gehört zum Vertrauen in die Informationsgesellschaft und damit zur Sicherheit des Netzes, dass der Nutzer weiß, nach welchen Kriterien ihm das ungeheure Archiv im Internet erschlossen und präsentiert wird.
In der jüngsten Vergangenheit gerieten die Suchmaschinen ins Gerede. Zu Recht, wie ich finde. Nach welchen Gesichtspunkten wird die Trefferliste ausgeworfen? Wer siegt? Wer landet auf den hinteren Rängen? Kann man das Ranking kaufen? Wie werden kommerzielle Verbindungen offenbar? Dem System von Suchmaschinen fehlt derzeit jede Transparenz, teilweise ist es weder neutral noch objektiv. Wo aber Transparenz fehlt, gehen auch Vertrauen und Sicherheit ins Elend!
Ich glaube nicht, dass der Gesetzgeber in der Lage wäre, ein solches Problem befriedigend zu lösen. Wichtig ist, dass die Unternehmen selbst für Transparenz sorgen. Und noch einmal: Selbstregulierung durch die Marktakteure ist die beste Methode. Nur so lässt sich Vertrauen gewinnen oder zurückerobern. Es gibt hierfür schon gute Beispiele. Die E-Commerce-Unternehmen, die in besonderer Weise auf das Wohlwollen ihrer Kunden angewiesen sind, haben es in erstaunlich kurzer Zeit geschafft, sich auf wesentliche Kernfragen zu einigen. Mit den "Paris Recommendations" hat die Organisation des "Global Business Dialogue on Electronic Commerce" schon 1999 weltweite Standards vorgeschlagen. Unter anderem zum Verbraucherschutz, zum Schutz persönlicher Daten, zu Urheberrechten sowie Haftungsfragen und Verantwortlichkeiten im elektronischen Geschäftsverkehr. Das Gremium empfahl, diese Standards mit Selbstregulierungsinstrumenten umzusetzen. Dies ist aus meiner Sicht der richtige Lösungsansatz.
Sie haben es sicher gemerkt: Ich setze auf das Projekt Klicksafe.de, weil ich es für zeitgemäß, intelligent, marktnah und nutzerorientiert, kurzum für notwendig und vorbildlich halte. Ich danke Ihnen, die Sie dafür viel Mühe, Geld und Sachverstand eingesetzt haben, sehr herzlich. Ich verbinde mit meinem Dank die Hoffnung, dass Ihr Projekt recht viel Erfolg haben und die breite und tatkräftige Unterstützung der Unternehmen finden möge. Sie würden damit nicht nur der Gesellschaft, sondern auch sich selbst einen großen Gefallen tun.