Redner(in): Christina Weiss
Datum: 18.04.2005

Untertitel: Bei einer Einladung des Berliner Senat für Förderer des Denkmalschutzes am 18. April 2005 im Roten Rathaus bedankte sich Kulturstaatsministerin Christina Weiss für deren bürgerschaftliches Engagement.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/31/817831/multi.htm


wenn die Architektur die öffentlichste aller Künste ist, dann darf man den Denkmalschutz wohl ohne Übertreibung als öffentlichsten Teil der Kulturförderung bezeichnen. Der Denkmalschutz wäre damit zugleich derjenige Teil des inzwischen beinah alle Lebensbereiche berührenden bürgerschaftlichen Engagements, aus dem die meisten Bürger einer Stadt einen Gewinn ziehen können. Allein der Nutzen steht in keiner Bilanz, weil sich der Nutzwert des Denkmalschutzes nicht in Zahlen fassen lässt.

Und doch: was wären unsere Städte und Dörfer, unsere Parks und Anlagen ohne die baulichen Zeugnisse der Vergangenheit? Was wären wir ohne Vergangenheit? Ohne Wurzeln mäanderten wir durch die Willkürlichkeiten der Gegenwart, unfähig, Qualitäten zu erkennen oder gar Zukunft zu gestalten. Nur der Denkmalschutz ist in der Lage, im öffentlichen Raum jene Bibliothek gebauter Umwelt zu erhalten, die selbst denen, die sich den Bibliotheken des Denkens und Wissens verschließen, Traditionen vorstellen und künstlerische Werte vermitteln können. Unsere Denkmäler schreiben jene "Biblia pauperum", die - bevor das Fernsehen die Gutshaus- und Burgen-Shows erfand - maßgeblich jenes Bild prägten, das man sich gemeinhin vom Leben im Mittelalter, in der Zeit des Barock oder der Gründerjahre machte.

Gerade weil sie so öffentlich sind, spielen Baudenkmale in allen Städten und Gemeinden, aber eben auch auf den Ebenen der Länder und des Bundes, eine große Rolle. Nicht ohne Stolz weise ich immer wieder darauf hin, dass das Schutzprogramm für "National wertvolle Kulturdenkmäler" das älteste Kulturförderprogramm des Bundes überhaupt ist, das in den vergangenen 50 Jahren für 499 Denkmäler insgesamt 247 Millionen Euro ausgeschüttet hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

obwohl ich mich sehr dafür stark mache, dass die finanzielle Förderung von Denkmalschutz und Denkmalpflege auch in Zukunft im Bundeshaushalt gesichert bleibt, konnte und kann auch zukünftig ein effektiver Denkmalschutz allein "von oben" nicht gedeihen.

Erst durch den persönlichen Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern, von Frauen und Männern aus allen Bereichen der Gesellschaft - von Enthusiasten wie Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren - kann der dauerhafte Erhalt unseres baulichen Erbes gelingen. Mit meiner Teilnahme an diesem Empfang möchte ich Ihnen zeigen, dass Ihr Engagement auch auf Bundesebene Anerkennung und Wertschätzung findet, der weit über die Verleihung des Deutschen Preises für Denkmalschutz hinausgeht. Wenn ich dennoch in dieser Runde Frau Cornelius, Herrn Dussmann und das Ehepaar Kißner ganz besonders begrüßen möchte, weil sie vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz mit der Silbernen Halbkugel bzw. mit dem Karl-Friedrich-Schinkel-Ring geehrt wurden, dann streiche ich deren Leistungen lediglich pars pro toto heraus.

Jeder Euro und jede Minute Arbeit, die in ein historisches Denkmal fließen, sind eine Investition in die Grundfesten unserer Kulturnation, die nicht hoch genug bewertet werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

der Wert eines Denkmals bemisst sich nicht nach der Investition, die man für den Erhalt und die Restaurierung aufwenden muss. Historische Altstädte, Kirchen und Schlösser können die Lebensqualität einer Stadt entscheidend erhöhen und nicht nur für die Tourismusbranche ein Standortfaktor sein. Wer erhalten will, soll auch nutzen. Oder mit Blick auf die alltäglichen Probleme der Denkmalpflege: Wer erhalten muss, soll auch nutzen dürfen!

Vor allem das bürgerschaftliche Engagement darf nicht mit dem Abschluss der Sanierungsarbeiten enden, im Gegenteil: hier könnte es sich ganz neu entfalten, wenn möglich und sinnvoll auch mit staatlicher Unterstützung. Wenn wir von Museen und Theater einen lebendigen, abwechslungsreichen Kulturbetrieb verlangen, der sich vor dem Kontakt mit der Gegenwart nicht scheut, dürfen wir den Blick gerade im Bereich des Denkmalschutzes nicht allein nach hinten richten. Baudenkmäler sind Teil des öffentlichen Lebens, und sie müssen vor allem eins: leben!

Vielen Dank.