Redner(in): Christina Weiss
Datum: 25.05.2005

Untertitel: Staatsministerin Christina Weiss würdigte anlässlich der konstituierenden Sitzung des AOL-Sicherheitsrates im Bundeskanzleramt am 25. Mai 2005 das Engagement des Diensteanbieters AOL gegen schädliche, illegale und jugendgefährdende Inhalte im Internet.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/35/835335/multi.htm


im Namen des Bundeskanzlers heiße ich Sie, die Vertreterinnen und Vertreter des AOL-Sicherheitsrates, herzlich willkommen.

Ihre Initiative ist nicht hoch genug zu würdigen. Knapp zwei Jahre ist es jetzt her, seit wir uns am Runden Tisch "Medien gegen Gewalt" trafen. Die schrecklichen Ereignisse im Erfurter Gutenberg-Gymnasium im Hinterkopf, schworen die Anbieter damals, rigoroser gegen Gewaltdarstellungen in den Medien vorzugehen. Das hohe Wort von der Eigenverantwortung machte die Runde. Wie sich jetzt zeigt, war es kein leeres Wort. Mit dem AOL-Sicherheitsrat löst die Geschäftsführung des gleichnamigen Providers dieses Versprechen für einen Teil der Internetwirtschaft ein.

Medienexperten, die Wirtschaft, Technik und Nutzer gleichermaßen im Blick haben, stehen Ihnen dabei zur Seite. Und ich wünsche mir, dass sie kreativ mitdenken, nachfragen, anregen. Ich bedanke mich bei der Geschäftsführung von AOL Deutschland für diese verheißungsvolle Idee. Ihre gemeinsame Arbeit für den AOL-Sicherheitsrat ist Ausdruck eines partnerschaftlichen Verständnis unserer Bürgergesellschaft und bedeutet, dass es nicht immer nur der Staat allein sein muss, der mahnend den Finger hebt. Staat und Wirtschaft, gesellschaftliche Organisationen, Bürgerinnen und Bürger, ja Nutzerinnen und Nutzer wollen zusammen, dass die neuen Medien bilden und bereichern, vor allem aber sicherer werden. Durch Selbstregulierung und Eigenverantwortung ist dies zu schaffen.

Meine Damen und Herren,

die Entwicklung unserer Informationsgesellschaft wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt die Gefahren des Mediums Internet zu minimieren und damit auch Schwellenängste gegenüber dem Netz abzubauen. Es geht um den Schutz der reinen Datenübertragung - darum, dass Codes und Kontonummern nicht ausspioniert werden. Es geht aber auch um sichere Inhalte. Sicher meint dabei ungefährlich, qualitätsvoll, pädagogisch, durchaus kulturell wertvoll und auch maßstabsetzend.

Anknüpfend an den Runden Tisch "Medien gegen Gewalt" sollte sich der AOL-Sicherheitsrat aus meiner Sicht zunächst um Fragen des Jugendschutzes kümmern, versuchen, extremistische und rassistische Inhalte zu bekämpfen und Straftaten im Internet einzudämmen. In einem zweiten Schritt stehen dann auch Verbraucherschutzfragen und die technische Netzsicherheit im Fokus.

Meine Damen und Herren,

ich erinnere mich noch gut daran, wie skeptisch die "Netzgemeinde" staatliche Maßnahmen aufgenommen hat, die das Internet sicherer machen sollen. Ihre Sperrungsverfügungen gegen rechtsradikale Angebote, lieber Herr Büssow, haben eine große Empörung ausgelöst. Mittlerweile sind sie von den Gerichten umfassend bestätigt worden. In den sorgfältigen Entscheidungen können wir lesen, dass Sie zu Recht eingegriffen haben. Ein anderes Mittel stand einfach nicht zu Gebote. Wir alle - und das gilt auch für die Gerichte - sind nicht glücklich, wenn Angebote gesperrt werden. Aber das Internet ist kein rechtsfreier Raum! Was "offline" kriminell und jugendgefährdend gilt, kann "online" nicht erlaubt sein!

Das Internet geht über nationale Grenzen hinweg, seine Inhalte sind flüchtig und die dafür Verantwortlichen nur schwer zu ermitteln, wenn sie es darauf anlegen, anonym zu bleiben. Die Masse der im Netz vorhandenen Daten und Anbieter ist nur schwer zu bewältigen. Die klassischen Regulierungs- und Eingriffsinstrumentarien der Nationalstaaten stoßen hier sehr bald an Grenzen. So unverzichtbar sie auf der einen Seite sind, so dringend müssen sie deshalb durch gesellschaftliche und international vernetzte Aktivitäten sinnvoll ergänzt werden. Gesellschaftliche Selbstverantwortung und politisches Handeln gehören zusammen. Die Bundesregierung hat dies zu einem zentralen Anliegen ihrer Politik gemacht.

Die Medien genießen in unserer Demokratie nicht nur verbriefte Freiheiten, ihnen obliegen im Sinne des Gemeinwohls auch Pflichten. Sie, meine Damen und Herren, kennen Ihre Pflichten. Der von Ihnen angestoßene Dialog und der angeregte Austausch sind uns wichtig. Der unabhängige Sicherheitsrat wird ein Gradmesser gesellschaftlicher Empfindungen und Werte sein. Die Experten bürgen für Toleranz und Offenheit. Neben den wirtschaftlichen Dimensionen werden Sie auch die kulturellen, demokratischen und gesellschaftlichen Aspekte des Internets bewerten.

Die rasante Entwicklung der neuen Technologien birgt Chancen und Risiken zugleich. Die Kindersicherung im Internet kann heute noch als perfekt gelten, morgen aber schon geknackt sein. Und dies mit frei verfügbarer Anleitung im Netz. Solche "Sicherheitslücken" beeinträchtigen die großen kommunikativen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale des Internet - und damit letztlich die Geschäftsgrundlage kommerzieller Aktivitäten.

Diese Beobachtung muss Anlass zu Sorge sein. Sie sollte die betroffene Wirtschaft alarmieren. Die weit überwiegende Zahl der Diensteanbieter, die ihre Geschäfte auf seriöse Weise betreiben, darf es nicht zulassen, dass eine Minderheit "schwarzer Schafe" das Internet in Misskredit bringt. An dieser Stelle ist deshalb in erster Linie unternehmerisches Engagement gefragt.

Solches Engagement stellen Sie mit dem AOL-Sicherheitsrat unter Beweis!

Voraussetzung dafür, dass das Internet die Funktion eines vollwertigen Informations- und Orientierungsmediums erlangen kann, ist die hohe Qualität seiner Angebote. Je besser, umfänglicher, interessanter und vertrauenswürdiger die wertvollen Netzinhalte sind, desto weniger fallen die schädlichen und schändlichen, die illegalen und jugendgefährdenden Seiten ins Auge und ins Gewicht.

Die Politik bleibt in all diesen Punkten natürlich auch gefordert. Wir haben auf nationaler Ebene einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Jugendmedienschutz geschaffen. Nun gilt es, dieses Frühwarnsystem auf die europäische und internationale Bühne zu tragen. Wir fordern in den entsprechenden Gremien nachdrücklich einen kohärenten europäischen Rechtsrahmen zur Verbreitung audiovisueller Inhalte unabhängig vom Übertragungsweg.

Angesichts der globalen Dimension des Internet sind wir dabei auf Ihre Unterstützung angewiesen. Ihr Unternehmen ist ein "global player" und hat damit ausgezeichnete Möglichkeiten, sich für einheitliche Standards - unter anderem auf dem Gebiet von Jugendschutz und Netzsicherheit - einzusetzen.

Meine Damen und Herren,

Ihre und unsere Zusammenarbeit füllt die politische Idee eines modernen Jugendmedienschutzes mit Leben. Und sie kann ein gutes Beispiel für europäische und internationale Konzepte sein. Der AOL-Sicherheitsrat kann eine Vorbildfunktion ausüben. Das gilt vor allem auch für andere Unternehmen der Branche. Es wäre schön, wenn das Konzept des Sicherheitsrats zu einem deutschen Exportschlager werden könnte. Unsere Unterstützung haben Sie!

AOL Deutschland wünsche ich, dass Sie sich von einem kreativen Diskurs im Sicherheitsrat anspornen lassen. Wir haben viel erreicht, wenn durch Ihre Initiative die gesamte Internetwirtschaft mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen würde.

Ihrer Arbeit wünsche ich nun viel Energie und gutes Gelingen. Ich werde Ihre Ergebnisse gespannt erwarten!