Redner(in): Christina Weiss
Datum: 27.05.2005
Untertitel: Bei der Übergabe der UNESCO-Welterbeurkunde für den Fürst-Pückler-Park würdigte Staatsministerin Christina Weiss das bedeutsame zweistaatliche Landschaftsensemble.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/90/837690/multi.htm
wir liegen sehr gut in der Zeit. Folgt man Pücklers Rat, soll man Muskau am besten vor dem 15. September besuchen,"weil dann aller Schmuck der Gärten abgeholt wird". So riet er Bettine von Arnim vor über 170 Jahren und fügte hinzu: "Wer Muskau gesehen, hat mir ins Herz gesehen." Nun mag Bettine von Arnim dies ein wenig übertrieben empfunden haben, sie ließ sich dennoch verlocken von diesem "Zauberparck" und erlag dem schönen Reiz. Uns ergeht es kaum anders und doch sind wir heute glücklicher als sonst hierher gereist. Das Deutsch-Polnische Kulturjahr wird durch einen Augenblick höchsten Glücks veredelt. Wir wohnen der Aufnahme des Parks in die Welterbeliste der UNESCO bei, beglückwünschen die Verantwortlichen auf beiden Seiten der Neiße zu dieser Erhebung in den kunsterblichen Adelsstand und rühmen, dass es Deutschen und Polen in schönster Eintracht gelungen ist, dieses europäische Kulturerbe zu bewahren, zu restaurieren und neu zu beleben. Gibt es ein schöneres Bild für Versöhnung, als gemeinsam Sichtachse um Sichtachse freizulegen, das wüste Gestrüpp der Abschottung wegzuwerfen und den Blick auf den vereinten Kulturraum zu entdecken? Ich kann mir keines denken.
Pücklers verwünschtes Herz, wie sie es Bettine von Arnim nannte, ist auf dem besten Wege, wieder gesund zu werden. Die Narben der Nachkriegsoperationen verheilen langsam, das ramponierte, das ungeschonte, das zerbrochene Herz bekommt neuen Schwung. Zu danken ist dies der beispielhaften deutsch-polnischen Kooperation, die sich längst zu einem Vorzeigeprojekt internationaler Denkmalpflege entwickelt hat. Mein Respekt gilt auch unseren polnischen Partnern, die es in kürzester Zeit vermocht haben, für den Park Muzakowski eine selbständige Stiftung zu gründen. Dies könnte durchaus Vorbildcharakter auch für die deutschen Pückler-Stiftungen in Bad Muskau und Branitz haben.
Meine Damen und Herren,
wo, wenn nicht in Pücklers Park, wäre man von der Kühnheit des europäischen Denkens emporgerissen. Hier wird manifest, dass das Bewahren des kulturellen Erbes keine innere Angelegenheit allein ist. Stures Anspruchsdenken wäre ein schlechter Ratgeber. Die famose Idee des Landschaftsgartens hat von England aus den Kontinent erobert und in Muskau ein Zeugnis höchster Vollendung hinterlassen. Mit Pücklers künstlerischer Landschaftsgestaltung emanzipierte sich die gärtnerische Idee von der Architektur. Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, Pückler nur als Olympier der europäischen Gartenkunst zu beschreiben. Sein Talent gestattete es ihm nicht, auf politische Fehden Rücksicht zu nehmen. Leidenschaft und Enthusiasmus waren sein Schlüssel zur Welt, und so sind seine Spuren in Europa weithin sichtbar. Seiner geistigen Unabhängigkeit und seiner künstlerische Entschiedenheit fühlt sich auch dieses einmalige deutsch-polnische Restaurierungsprojekt verpflichtet, das dem Muskauer Park sein Gesicht wiedergeben wird. Dafür hat sich die Bundesregierung mit engagiert, und ich finde, das Geld ist gut angelegt. Wer in den Zeiten staatlicher wie intellektueller Abschottung hierher kam, ahnte nichts von der wirklichen Pracht, von der Erhabenheit dieses Parks. Dabei ist doch die eine Hälfte ohne die andere undenkbar. Mir ist nicht verborgen geblieben, dass der Erweiterung der Europäischen Union gerade in dieser Region mit vielen Zweifeln begegnet wird, mit Ängsten und Vorurteilen gar, mit Furcht und Ablehnung. Doch gerade im gemeinsamen Kulturtourismus liegt doch eine Chance für Bad Muskau und für Lugknitz, für die Arbeit an einem gemeinsamen Ideensystem. Der Park und seine historischen Gebäude verdienen es, noch intensiver als bisher entdeckt, besucht und bestaunt zu werden. Hier liegt ein großes Potential, um diese Region voranzubringen. Mein Haus hat deshalb ein Marketinggutachten aller drei Pückler-Stiftungen angeregt und ist zuversichtlich, dass damit ein wichtiger Schritt getan wird, um Kulturtouristen insbesondere aus Deutschland, Polen und Tschechien auf dieses Weltkulturerbe aufmerksam zu machen. Der Bundesregierung wird die Arbeit der Stiftung auch künftig nicht gleichgültig sein - ganz im Gegenteil. Wir halten es für geboten, dass das Neue Schloss einen festen, einen wichtigen Platz im Netzwerk deutsch-polnischer Beziehungen einnimmt. Ich wünsche diesem Park, diesem grandiosem Bund aus Geist und Natur, viele überraschte Besucherinnen und Besucher aus nah und fern, die kommen, um Pückler ins Herz sehen. Vielen Dank!