Redner(in): Christina Weiss
Datum: 12.07.2005

Untertitel: In einem Grußwort weist Kulturstaatsministerin Weiss auf die Bedeutung der einzigartigen Ausstellung in der Alten Nationalgalerie und die Aktualität von Goyas Werk hin.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/29/859029/multi.htm


Francisco de Goya hier in der Alten Nationalgalerie: Das ist ein wundervolles Geschenk an jeden, der weiß, was Augenlust bedeuten kann. Was fasziniert uns heute so an Goya? Was ist es, das uns die Werke, die er vor zweihundert Jahren malte, so aktuell erscheinen lässt? Er war ein "Prophet der Moderne", was wir erst heute wirklich begreifen können.

Seine Zeitgenossen hat er irritiert mit seiner Kunst der Gegenwahrnehmung, die das Nichteindeutige, das Nichtlineare gesucht hat. Lion Feuchtwanger zitiert Goya wie folgt: "Klare Linien sind eine gute Sache, und klare Dinge lassen sich damit klar wiedergeben. Aber Welt und Menschen sind nun einmal nicht klar. Das Bösartige, das Gefährliche, das Kobold- und Hexenhafte, das Dahinter lässt sich mit den traditionellen Mitteln nicht malen. Das kann man den verehrten Alten nicht abschauen."

Wenn wir Goyas Gemälde bewundern, dann bewundern wir vor allem die Haltung, die aus ihnen spricht. Der Meister war Mitglied der königlichen Akademie,"Maler des Königs","Hofmaler", und doch hat er die Nähe nie zu groß werden lassen.

Er gehörte zum innersten Zirkel der Macht, aber das hat ihn nicht davon abgehalten, die Menschen und Geschehnisse um ihn herum aus der Distanz zu betrachten - und darzustellen. Er hätte reichlich Gelegenheit gehabt, sich den Verlockungen von Macht und Geltung hinzugeben. Stattdessen hat er Gräueltaten angeprangert, auf Missstände hingewiesen. Er hat die Kirche kritisiert, auch wenn er damit rechnen musste, deshalb mächtige Gegner gegen sich aufzubringen. Er war ein kompromissloser Anhänger der Aufklärung und wurde dafür vor die Inquisition gezerrt und ins Exil gejagt.

Seine Porträts und "Caprichos", seine "schwarzen Bilder" und "Desastres de la Guerra" sind aus kunsthistorischer Sicht für sich genommen zweifellos großartige, ergreifende Kunstwerke. Aber ich denke doch, dass sie noch mehr sind: Ausdruck des Willens, sich nicht wider besseren Wissens von anderen in seinen Entscheidungen beeinflussen zu lassen. Es ist diese aufrechte Unbeugsamkeit, in der für uns auch im Jahr 2005 die Gegenwärtigkeit und Zukunftskraft von Goyas Schaffen liegt. Es ist aber auch die Meisterschaft des Doppelsinns, des Künstlertraums, der noch heute das Werk seiner Nachfahren inspiriert.

Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, diese aufregende Ausstellung für Berlin zusammenzustellen. Ich möchte an erster Stelle meiner spanischen Amtskollegin Carmen Calvo sowie Miguel Zugaza und Manuela Mena vom Prado in Madrid meinen herzlichen Dank aussprechen. Ohne Ihre Großzügigkeit und die Großzügigkeit der vielen anonymen Leihgeber hätte es diese Schau nie gegeben. Wir sind uns der Ehre wohl bewusst, die Sie uns erweisen, indem Sie uns diese Schätze anvertrauen.

Danken möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Schuster, und dem Kurator Moritz Wullen, dass Sie Goyas Bilder so wirkungsvoll hier in den Räumen der Alten Nationalgalerie eingerichtet haben.

Und es ist mir eine große Freude, Peter Raue zu danken, der es immer wieder schafft, die Freunde der Nationalgalerie zu elektrisieren und zu neuen Projekten emporzureißen. Und keiner kann wie er die träge gewordenen Regeln des Ausstellungsbetriebs so furios außer Kraft setzen. Darin gleicht er durchaus Goya, der die Malerei revolutionierte."No hay reglas en la pintura".

In diesem Sinne spannende Entdeckungen in dieser Ausstellung.