Redner(in): Christina Weiss
Datum: 14.07.2005
Untertitel: Rund ein Dreivierteljahrhundert nach der Einweihung des Grassimuseums wurde am 14. Juli das grundlegend sanierte und modernisierte Haus übergeben. Das stadteigene Museum für Angewandte Kunst, das vom Freistaat Sachsen getragene Museum für Völkerkunde und das Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig können nun schrittweise ihren Wiedereinzug vorbereiten. "Das erneuerte Grassimuseum wird eine herausragende Rolle in der Kulturlandschaft der Neuen Länder spielen", erklärte Kulturstaatsministerin Dr. Christina Weiss anlässlich der Bauübergabe.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/03/859903/multi.htm
ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich immer wieder gern in Ihre Stadt komme. - Es gibt keine zweite, in der ich während meiner Amtszeit so oft zu Gast war und mich immer wieder wohl gefühlt habe, herzlich aufgenommen und inspiriert zugleich. Leipzig besitzt ein ganz besonderes intellektuelles Klima. Hier trifft man auf anregende Geister und all die wunderbaren Kunstsammlungen, die von der alten Größe Leipzigs künden, die zwar noch nicht wieder erreicht, zugleich aber doch noch immer unübertroffen ist. Sachverstand und Weltoffenheit prägten und prägen die Bürger diese gastlichen Stadt, und ich fand mein Gefühl bestätigt, als ich kürzlich las, dass Friedrich Schiller im Sommer 1785 die erste Fassung der "Ode an die Freude" hier in Leipzig geschrieben hat.
Auch heute ist, wie Sie alle wissen, ein besonderer Tag der Freude. Ein Tag, an dem wir innehalten sollten, um mit Stolz die immensen Erfolge zu betrachten, die in den vergangenen Jahren hier wie an vielen anderen Orten in den neuen Ländern erzielt werden konnten. Ohne die Brüche zu verharmlosen, die unser Land noch immer prägen, muss man doch feststellen, dass zumindest auf kulturellem Feld in Ost und West zusammen gefunden hat, was zusammen gehört. Die Bürgerinnen und Bürger der Neuen Bundesländer haben mit Ausdauer und Kraft einen Transformationsprozess gestaltet, der einmalig und für ganz Europa vorbildhaft ist. Sie haben aus der Erstarrung Flexibilität und aus der Unterdrückung die Freiheit geboren. Und ich werde nicht müde, immer und immer wieder zu unterstreichen, dass vieles, was in den "Neuen Ländern" längst gängige Praxis ist, durchaus Vorbildcharakter trägt auch für die "alte" Bundesrepublik.
Für diese Vorbildwirkung ist die Sanierung des Grassi-Museums ein gutes Beispiel. Die Verantwortlichkeiten sind klar abgesteckt - die Universität, die Stadt und der Freistaat sind jeweils Träger eines der drei Museen im Grassi - und dennoch hatte ich immer das gute Gefühl, dass alle Beteiligten sich im Geist eines "kooperativen Kulturföderalismus" ihrer gemeinsamen Verantwortung für diesen großartigen Schatz bewusst sind. Deshalb hielt ich es auch für angemessen und vertretbar, dass sich der Bund an der Sanierung des Grassi-Museums mit bislang immerhin rund sechs Millionen Euro beteiligt. Zu der Vorbildrolle der Neuen Länder gehört übrigens auch, dass es bis zum heutigen Tag auch nur hier gelungen ist, gemeinsam mit den verschiedenen Kulturministerien und in Abstimmung mit meinem Haus einen unabhängigen Experten zu benennen, der nach einheitlichen Kriterien analysiert, welche Einrichtungen das Prädikat "Kulturelle Leuchttürme" verdient und sich ob der nationalen Bedeutung eines besonderen Bundesinteresses sicher sein darf. Das entsprechende Kompendium für die Neuen Länder - das so genannte "Blaubuch" von Paul Raabe - liegt nunmehr seit beinahe vier Jahren vor. Ich bin gespannt, wie lange es noch dauert, bis in den anderen Bundesländern die Erkenntnis reift, dass eine derartige Bestandsaufnahme auch im Westen sinnvoll und hilfreich sein kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
dass wir heute gemeinsam den Abschluss der Bauarbeiten am Grassimuseum feiern können, ist jedoch nicht nur der guten Zusammenarbeit verschiedener Kulturpolitiker und Kulturverwaltungen zu verdanken. Ohne das große Engagement der Architekten, der Planer, der Bauleute und der unentwegt improvisierenden Museumsmenschen wäre das Grassi noch lange nicht so weit, vor allem nicht so gut saniert. Sicherlich zählen Sie schon seit Monaten die Tage, bis sie endlich wieder in ihrem alten, neuen Bau zu Hause sein können. Die Neueröffnung des Museums wird auch in meinem Terminkalender einen gebührenden Platz einnehmen, das verspreche ich!
Nachdem ich in einem eindringlichen Gespräch mit Ihrem Oberbürgermeister erfahren habe, dass die Freude über den vollendeten Bau leider nicht ganz die Sorge über die noch nicht vorhandene Ausstattung aufwiegt, habe ich entschieden, auch hier ein Beispiel für den oben zitierten "kooperativen Kulturföderalismus" zu geben. Ich bin heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass der Bund die Ausstattung des Grassimuseums mit einer weiteren Million Euro finanzieren wird, vorausgesetzt die Stadt und der Freistaat tun entsprechend mit.
Wir wollen, dass das Grassi-Museum zur neuen Blüte reift. Wir glauben, dass Leipzig seine kulturelle Größe weiter ausbauen kann. Und wir wissen, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt das Vermächtnis der friedlichen Revolution zum Nutzen Deutschlands mehren werden.
Ich danke allen Beteiligten noch einmal für ihr überwältigendes Engagement und freue mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch in Ihrer Stadt! Vielen Dank!