Redner(in): Christina Weiss
Datum: 12.08.2005
Untertitel: Bei der Eröffnung der neuen Schausammlung des Ägyptischen Museums am 12. August hat Kulturstaatsministerin Christina Weiss die Fortschritte des großen Projekts Museumsinsel betont.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/45/872245/multi.htm
heute feiern wir einen Traum - den Traum vom wiedergewonnenen Glanz der Museumsinsel! Mit der Rückkehr der Ägyptischen Sammlung schließen wir eine der ärgsten Kriegswunden der Staatlichen Museen. Zwar können wir der Nofretete ihren angestammten Platz im Neuen Museum noch nicht zurückgeben. In ihrem letzten Notasyl verheißen uns die altägyptischen Kostbarkeiten aber schon heute die enzyklopädische Kraft jenes einmaligen Menschheitsmuseums, das wir im Herzen Berlins wiederauferstehen lassen. Mit der Sanierung des Neuen Museums, auf die wir heute Ausschau halten, wird nach der Nationalgalerie und dem Bodemuseum in wenigen Jahren der wichtigste und vielleicht schönste Stein neu in die Krone der Museumsinsel gesetzt. Ein Stein, der strahlen, aber auch an eine schmerzliche Geschichte erinnern wird, denn das Neue Museum darf nicht allein durch seine Sammlung, sondern muss auch durch seine sichtbar gehaltenen historischen Verletzungen diesen Kosmos der Gelehrsamkeit und Bildung vollenden. - Die Bundesregierung steht zu dieser Herausforderung, die sich nicht am Neuen Museum erschöpft. Wir verteidigen die Sanierung und Erweiterung aller Teile der Museumsinsel und wollen sie mit einer "Archäologischen Promenade" verbinden. Und: Wir werden die Universalität dieses - im wahrsten Sinne des Wortes - Weltkulturerbes durch ein "Humboldt-Forum" vollenden. Ich freue mich darauf, Ihnen zu dieser Frage schon bald neue Antworten präsentieren zu dürfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich halte es für überflüssig, Ihnen zu erklären, dass es eines langen Atems bedarf, um diesen steinigen und mitunter abgründigen Pfad bis zum Ende zu gehen. Doch der Mut, der sich aus dem bisher Erreichten speist, und die Überzeugung, dass die Museumsinsel alle Anstrengung wert ist, beflügeln unseren Eifer. In diesem Zusammenhang ist die Rückkehr der Ägyptischen Sammlung auf die Berliner Museumsinsel ein ganz besonderer, ein geradezu zeichenhafter Vorgang: Er nimmt ein Stück Zukunft vorweg und ist zugleich ein historischer Markstein in der 175-jährigen Geschichte der Staatlichen Museen. Denn die Rückkehr der Nofretete ist eine Heimkehr - die Heimkehr des berühmtesten Berliner Kunstwerks in das Herzstück der deutschen Museumslandschaft. Zu verdanken haben wir dieses neue alte Glück der Weitsicht der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Beharrlichkeit der Staatlichen Museen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Tag an der Erfüllung ihres Inseltraums arbeiten. Allerdings hätten wir das heutige Zwischenziel ohne die Unterstützung der mit den Museen und Sammlungen verbundenen Freundeskreise und Förderer nicht erreicht. Besonders die im "Kuratorium Museumsinsel" vereinigten Firmen haben sich um die besucherstarke Wiederbelebung der Museumsinsel verdient gemacht, wobei sie auf eine so stete wie engagierte Unterstützung durch das Zweite Deutsche Fernsehen zählen konnten. Die moralische, mediale und nicht zuletzt finanzielle Förderung, die die Museumsinsel in den letzten Jahren aus privater Hand erhielt, ist einmalig. Sie knüpft an eine alte, bewährte Tradition an, der wir nicht zuletzt auch die Nofretete verdanken, und ich bedanke mich im Namen der Bundesregierung ganz herzlich bei Ihnen allen, dass Sie die Idee des bürgerschaftlichen Engagements immer wieder neu mit Leben füllen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ein alter Mythos gewinnt mit dem heutigen Tag an neuer Kraft. Überall auf der Welt ist der Name Nofretete gleichbedeutend mit Geheimnis und Perfektion, mit unergründlicher Anmut und legendärer Fama. Ihr Antlitz lässt jeden von uns assoziieren, was gleichsam ihr Programm ist: eine fast beklommen machende Schönheit. Es gibt keinen Zweifel: Nofretete ist die Ikone unserer Museumstempel, ihre numinose Kraft übt bis heute einen ungebrochenen Zauber aus. Dabei schöpft ihre Schönheit nicht allein aus makellosen Proportionen. Es ist zugleich das kaum auszulotende Alter dieser Büste, das uns die Sprache verschlägt. Es ist ihre unbegreifliche, ihre scheinbar ewig währende Existenz, es ist ihre Unsterblichkeit, die uns fasziniert.
Die Schönheit der Nofretete kann niemand in passende Worte fassen. Der Begriff der Schönheit selbst gehört ja in die Kategorie des Relativen. Und doch benutzen wir ihn ohne den Anflug einer Irritation für alles, was unserem eigenen Sinn für die Ausgewogenheit der Form oder der Erscheinung entspricht. Seit Menschen Abbilder von sich schaffen, war Schönheit ein entscheidender Begriff. Doch überblickt man die Porträts und Idealbilder verschiedener Epochen, so lässt sich schnell erkennen, dass Schönheit ganz unterschiedlich schön sein kann. Schon Dürer bekannte;"Was die Schönheit sei, das weiß ich nicht". Zwar forderte William Hogarth in der Mitte des 18. Jahrhunderts in seiner "Analysis of Beauty" die Menschen dazu auf, sich ein eigenes Urteil über Schönheit zuzutrauen, sich von akademisch vorgegebenen Regeln nicht bevormunden zu lassen. Doch noch heute wissen wir nicht wirklich, wie Schönheit - diese allgegenwärtige, uns mitunter knechtende Vorstellung vom Vollendeten und Perfekten - schlüssig definiert werden kann. Zum Glück, möchte man sagen, denn so entzieht sich auch das Bildnis der Nofretete auf Dauer jeder Klassifizierung. Es ist längst legendär und weit weg vom Konkreten und Korrekten der Alltagswirklichkeit. Nofretete ist das Gesicht unserer Museumsinsel. Sie ist ohne Zweifel die Mona Lisa der Staatlichen Museen. Sie ist uns, wenn man so will, heilig. Ihr erhabener Stolz sollte uns Ansporn sein, die anstehenden Probleme beim Wiederaufbau der Museumsinsel und bei der Neugestaltung der Berliner Mitte mit Verve zu lösen. Nicht nur unsere Kunstschätze brauchen einen Ort wie die Museumsinsel. Unser Land kann sich eben auch an der Kunst, mit der Kunst und durch die Kunst erneuern. Dank der Nofretete blickt die Welt neu und anders zugleich auf unsere Museumsinsel. - Wir werden sie nicht enttäuschen!
Vielen Dank!