Redner(in): Christina Weiss
Datum: 24.08.2005
Untertitel: Kulturstaatsministerin Christina Weiss besucht die neuen Einrichtungen in Dahlwitz-Hoppegarten und würdigt die Abteilung Filmarchiv des Bundesarchivs als zentrales deutsches Filmarchiv
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/80/878080/multi.htm
wenn Sie die inhaltliche Breite meines Ressorts mit meinem Dienstkalender in ein wichtendes Verhältnis setzen würden, erhielten Sie - wenn nicht eine Überraschung - so zumindest doch ein Bekenntnis: Über keine kulturpolitische Frage habe ich in den letzten Jahren so oft, so intensiv und so vielschichtig gesprochen und verhandelt wie über den deutschen Film. Ob bei der Novellierung des Filmfördergesetzes, beim Deutschen Filmpreis, bei der Berlinale, bei unseren Kinoprogramm- oder Verleiherpreisen: immer wieder ging es darum, die Chancen des deutschen Films in Produktion, Vermarktung und Vertrieb zu stärken. Immer ging es um die kulturelle wie finanzielle Zukunft eines Leitmediums, ohne das wir heute in einer ganz anderen Gesellschaft leben würden. Immer wieder stand die Frage im Raum, wie man den deutschen Film mit seiner inhaltsreichen Prägung marktfähig halten könne, ohne Abstriche am intellektuellen Potential hinzunehmen. - Die Erfolge, die deutsche Filme in den letzten Jahren bei Festivals und an der Kinokasse errangen, bestätigen mich in dieser Arbeit. Sie bestätigen zugleich, dass es richtig ist, auch in der Kulturförderung neue Wege zu gehen: Wege, die nach dem novellierten Filmfördergesetz nun auch die Einrichtung eines 90 Millionen Euro starken Risikokapitalfonds ermöglichten, der es den Filmemacherinnen und Filmemachern zukünftig erleichtern wird, ihre Filme vermehrt in Deutschland zu produzieren, was nicht zuletzt dem Wirtschaftsstandort Deutschland zugute kommen wird.
Der Film ist mehr als Hollywood. Noch heute kommt er nicht allein von dort; vor allem gab es ihn in Europa längst, als die heutige Welthauptstadt des Films noch eine staubige Kleinstadt war. Die Wiege der Filmkunst stand in Deutschland, und die Geburtshelfer und Hebammen der bewegten Bilder hoben so manches frühe Meisterwerk in Berlin oder Potsdam, mitunter sogar auf märkischer Wiese ans Licht der Welt. Auf diese Tradition sind wir stolz und wurden darin von der UNSECO bestätigt, die vor vier Jahren Fritz Langs 1926 vollendeten Ufa-Film "Metropolis" als erstes Filmkunstwerk überhaupt ins "Memory of the World" aufnahm. Dort steht es gleichberechtigt neben Beethovens 9. Symphonie und verpflichtet uns, außer der Neuproduktion von Filmen auch den Erhalt und die Pflege des filmischen Erbes intensiv voranzutreiben. Und wie könnten wir dies besser dokumentieren, als mit der Einweihung des modernsten Filmarchivs Deutschlands unter dem Dach des Bundesarchivs.
Das Sammeln, Bewahren, das Auswerten, Analysieren, Zeigen und Diskutieren von Filmen und ihren Produktions- und Rezeptionszusammenhängen ist eine kulturelle Aufgabe, die nicht allein wegen des ständig wachsenden Medienbedarfs an Bedeutung gewinnt. Sie wird auf der ganzen Welt von Filmarchiven, Kinematheken und Filmmuseen wahrgenommen, die die Filme als Zeugnisse der Geschichte, Kultur und Wirtschaft begreifen und bewahren. Alte Filme berichten von untergegangenen Städten, verschwundenen Bräuchen, den Bedrückungen der Kleinstadt und vom höfischen Zeremoniell. Sie bezeugen Arbeiteraufstände, den menschenverachtenden Wahn des NS-Regimes, den Holocaust, die Teilung Europas und nicht zuletzt die glückliche Einigung unseres Kontinents. Kein Wunder also, dass neben der UNESCO auch der Europarat und die Europäische Union inzwischen Empfehlungen zur Sicherung von Filmen und anderen audiovisuellen Überlieferungen ausgesprochen haben, um dieses spezielle Kulturgut auf Dauer zu schützen.
In Deutschland hat sich der Deutsche Kinematheksverbund dieser Aufgabe verschrieben, und in diesem Verband kommt der Abteilung Filmarchiv des Bundesarchivs die Aufgabe eines zentralen deutschen Filmarchivs zu. Das Filmarchiv bemüht sich um die möglichst vollständige Sicherung der deutschen Filmproduktion - von den ersten Filmen der Brüder Skladanowsky bis zu aktuellen Produktionen, die wir gerade noch im Kino bewundern können. Dabei führt das Archiv eine bereits 1919 begründete Tradition fort, die selbst während der Teilung Deutschlands erhalten blieb, auch wenn in Ost und West anders gesammelt und bewertet wurde. Heute beheimatet das Bundesarchiv beinahe eine Million Filmrollen und ist damit eines der größten Filmarchive der Welt. Spielfilme deutscher Produktion oder Koproduktion werden inzwischen vollständig gesammelt, wobei es das Bundesarchiv allerdings schwerer hat als etwas sein französisches Pendant, das von einer gesetzlichen Depotpflicht für Filme profitieren kann, die es hierzulande nur für Bücher gibt. Um so erfreulicher ist es, wenn die Sammlung durch private Archive ergänzt wird, wie dies vor knapp vier Wochen durch die Überführung der Filmsammlung der Lufthansa geschah, die immerhin die größte Sammlung zur deutschen Luftfahrtgeschichte der Öffentlichkeit darstellt. Dieses Beispiel sollte Schule machen!
Sie können sich hier in Dahlwitz-Hoppegarten selbst davon überzeugen, dass das deutsche Filmgedächtnis in den Händen des Bundesarchivs sehr gut aufgehoben ist. Selbst im internationalen Vergleich stechen die Restaurierungswerkstätten hervor, wobei die neuen, speziell auf die Konservierung und Bearbeitung der alten, besonders gefährdeten Cellulosenitratfime ausgelegten Anlagen weltweit ohne Konkurrenz sind. Ich bin überzeugt davon, dass die Baukosten von rund 11 Millionen Euro in Dahlwitz-Hoppegarten sehr gut angelegt sind, zumal es höchste Zeit war, die stark asbestverseuchten Einrichtungen, die die DDR in Berlin-Wilhelmshagen hinterlassen hatte, zu ersetzen. Das Bundesarchiv ist jetzt technisch für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerüstet und kann die Erwartungen der modernen Wissens- und Informationsgesellschaft erfüllen, und das nicht nur durch die Bereitstellung von über 6000 recherchierbaren Wochenschaubeiträgen aus insgesamt 60 Jahren. Und die Planungen gehen weiter: Mit einem neuen Benutzungszentrum des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde wird das deutsche Filmerbe in einer Mediathek mit Freihandbestand künftig noch benutzerfreundlicher präsentiert werden können.
Ich wünsche den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Filmarchivs, vor allem aber allen Nutzerinnen und Nutzern spannende Erlebnisse mit dem spannendsten Erbe der Geschichte des 20. Jahrhunderts - ich wünsche dem deutschen Film alles Gute,
Vielen Dank!