Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 14.10.2005

Untertitel: Die neue AMD-Chipfabrik in Dresden ist ein Beweis dafür, wie leistungsfähig die Wirtschaft in Ostdeutschland ist, sagte Bundeskanzler Schröder bei der Einweihung der Halbleiterfabrik. Was die Menschen bei AMD geschaffen haben sei beispielhaft für ganz Deutschland.
Anrede: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Ruiz, lieber Herr Deppe, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/29/902729/multi.htm


Die Rede des Kanzlers im Wortlaut:

Sie können sich sicherlich vorstellen, dass ich sehr gern hierher gekommen bin und die Einladung sehr gern angenommen habe. Denn das, was hier geschieht, ist ungewöhnlich, aber sehr gut.

Die Investition von 2,4 Milliarden US-Dollar, die AMD mit dieser Fabrik vorgenommen hat, ist nicht nur ein eindrucksvolles Signal für Dresden und für die Region, nein, sie ist mehr, sie ist ein eindrucksvolles Signal für Deutschland, für das, was hier geschieht und worauf wir durchaus stolz sein können.

Dieses Signal zeigt, dass Deutschland ein attraktiver Standort für Investitionen in Spitzentechnologien aus aller Welt ist. Wir sollten das gelegentlich mit mehr Selbstbewusstein und mit mehr Stolz auf die eigene Leistungsfähigkeit sagen.

Diese Investition ist auch ein Beleg dafür, dass Deutschland im Bereich der Mikroelektronik weltweit an der Spitze steht. Diese Investition beweist, wie leistungsfähig gerade in den modernen Technologien, vor allem in dieser, die Wirtschaft in Ostdeutschland, hier in Sachsen zumal, ist.

Dass die Region Dresden gelegentlich als "Saxony Valley" bezeichnet wird, ist nicht nur ein schöner Vergleich mit anderen Regionen, sondern, wie ich glaube, auch ein großes Kompliment für das, was hier in den letzten Jahren nicht zuletzt durch das Engagement von AMD entstanden ist.

Dresden ist damit eines der eindrucksvollsten Beispiele für eine sehr ermutigende gute Entwicklung in Ostdeutschland. Es gibt, wie wir alle wissen, mehr davon - in der Automobilindustrie, auch in der Luftfahrtindustrie, an der Küste, in den Werften, in der Chemieindustrie, in der Optik und eben hier, in der Mikroelektronik.

Sowohl international tätige Großunternehmen als auch mittelständische Firmen schätzen das, was Sie, lieber Herr Ruiz, deutlich gemacht haben: hochqualifizierte Arbeitskräfte, die sich einbringen, die sich mit ihrem Unternehmen und mit den Produkten, die in den Unternehmen hergestellt werden, identifizieren.

Bei all dem, was noch vor uns liegt - das ist ohne Zweifel eine Menge - , denke ich, dass diejenigen, um die es hier geht, ohne die die Fabrik weder entstanden wäre noch arbeiten könnte, und zwar die von Ihnen genannten Beschäftigten, auf ihre eigene Leistungsfähigkeit und die Arbeit, die sie investiert haben, wirklich stolz sein können.

Lieber Herr Ruiz, die neue Chip-Fabrik, die wir heute gemeinsam einweihen, knüpft -Sie haben es gesagt - an den großen Erfolg Ihrer ersten Investition in Dresden an. Bereits in die erste Fabrik "Fab 30", die vor fünf Jahren ihre Produktion aufgenommen hatte, haben Sie fast so viel wie in die neue investiert. Sie haben somit in dieser Region 2 000 Arbeitsplätze geschaffen. Das ist für diese Region von enormer Bedeutung gewesen und ist es noch immer.

Sie haben, lieber Herr Ruiz, einmal gesagt, dass diese Fabrik die "beste AMD-Fabrik aller Zeiten" sei. Die außerordentliche Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und die ausgezeichnete Infrastruktur, das ist es wohl, was im internationalen Vergleich so gut abgeschnitten hat.

Mit der neuen Produktionsanlage, der so genannten "Fab 36", werden Sie einen technologischen Quantensprung in der Chip-Produktion vollziehen. Sie setzen also einen eingeschlagenen, außerordentlich erfolgreichen Kurs fort. Wieder entstehen zusätzlich 1 000 Arbeitsplätze direkt und sicherlich 1 500 neue im indirekten Bereich.

Das zeigt, dass es auch unter sehr harten internationalen Wettbewerbsbedingungen möglich ist, gerade in Deutschland, auch in Ostdeutschland, zukunftsträchtige Beschäftigung aufzubauen.

Die Bundesregierung - Sie haben es anerkannt - hat sich nach Kräften dafür eingesetzt, diese neue Chip-Fabrik in Dresden möglich zu machen. Über Geld reden wir nicht und über Bürgschaften auch nicht; wir tun es einfach.

Ich möchte Ihnen versichern, auch vor dem Hintergrund stattgefundener Wahlen in Deutschland, dass Sie sich darauf verlassen können, dass auch eine neue Bundesregierung mit gleichem Engagement dafür sorgen wird, dass Investitionen in Deutschland, nicht zuletzt in Ostdeutschland, stattfinden können. Wir wissen um die Notwendigkeit von Unterstützung im administrativen Bereich - Sie haben darauf hingewiesen - , aber auch im materiellen.

Ich glaube, mit dieser gemeinsamen Aktion der Bundesregierung und des Freistaates Sachsen haben wir dafür sorgen können, dass sich die Marktchancen verbessern.

Sie haben anerkannt, dass wir auch noch einen weiteren Schritt gegangen sind, und zwar den, faire Wettbewerbsbedingungen, fairere als in der Vergangenheit, nicht zuletzt für AMD herzustellen. Fairer Wettbewerb ist nicht so einfach durchzusetzen in einem Markt, in dem es jemanden gibt, der zwar Gott sei Dank nicht überall, aber über alles gesehen, 80 Prozent Marktanteil hat und der seine Konkurrenten möglichst klein halten will.

Daher war es unser gemeinsames Anliegen - wir haben es auch gemeinsam durchgesetzt - , dass bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand in Deutschland seinerzeit aufgetretene Diskriminierungen abgestellt werden. Ich denke, wir haben das erfolgreich tun können.

Auf Basis des geltenden Vergaberechts hat die Bundesregierung eine Erläuterung für ausschreibende Behörden veröffentlicht, die für den Bereich der Mikroprozessoren Klarheit gebracht hat. Wir konnten nicht hineinschreiben: "AMD in", sondern wir mussten dafür sorgen, dass die Wettbewerbsbedingungen gleich sind.

Ich denke, wir konnten erreichen, dass bei Ausschreibungen faire Chancen für AMD und auch für andere Anbieter - das haben Sie nie in Abrede gestellt - gesichert sind. Wir müssen das auch auf der europäischen Ebene verstärken und Ihnen die Unterstützung geben, die Sie brauchen.

Funktionierender Wettbewerb war Ihre Forderung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Funktionierender Wettbewerb ist Motor für Innovationen, für Preise und damit für Arbeitsplätze gerade hier. Die Sicherung verlässlicher Wettbewerbsbedingungen im Markt für Mikroprozessoren bleibt daher auch in Zukunft gemeinsames Ziel von AMD und der Bundesregierung - auch der nächsten Bundesregierung. Wir müssen und wollen dafür sorgen, die Zukunftsfähigkeit des AMD-Standorts Dresden zu sichern und auszubauen. Es gibt hierbei nicht die geringste Differenz zum Freistaat Sachsen.

Meine Damen und Herren, der beachtliche Erfolg von AMD erwächst aus der großen Innovationskraft, die sich das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren aufgebaut hat. Sie haben mit berechtigtem Stolz darauf hingewiesen, dass Sie im Bereich der 64-Bits Weltmarktführer sind und dass Sie diese Position behaupten und, wo immer das möglich ist, ausbauen wollen.

Das ist, wie ich meine, eine ganz beeindruckende Leistung in einem wahrlich schwierigen Markt und das zeigt, dass dieses Unternehmen wirklich modern und marktgerecht geführt wird. Für Ihr Unternehmen ist der globale Wettbewerb keine Bedrohung, sondern eine Herausforderung, und zwar eine Herausforderung, die Sie erfolgreich gemeistert haben.

Was AMD und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier in Dresden praktizieren, das ist beispielhaft für Deutschland und über Deutschland hinaus. Denn nur, wenn wir unsere vielen guten Ideen am Markt erfolgreich umsetzen, können wir Deutschlands Position als Hochlohnland mit anspruchsvollen, qualifizierten und gut bezahlten Arbeitsplätzen halten und, wo immer es geht, ausbauen. Ich meine, das ist eine Anstrengung, die aller Ehren wert ist.

Daher müssen wir unsere Innovationskraft weiter steigern. Das werden wir schaffen. Wir sind in den vergangenen Jahren gut vorangekommen. Sie wissen, dass Deutschland zum dritten Mal in Folge Exportweltmeister ist. Das wird man nicht, wenn man wirtschaftlich schwach ist, sondern das wird man nur, wenn man wirtschaftlich stark ist. Wir sind bei internationalen Patenten wirklich führend. In den Schlüsseltechnologien - etwa der Biotechnologie, der Informations- und Kommunikationstechnologie und auch der Energieforschung, kein unwichtiger Bereich, - sind wir inzwischen weltweit an der Spitze.

Diese Position Deutschlands als stärkste Volkswirtschaft in Europa zu sichern und durch innovationsfreundliche und -orientierte Politik auszubauen, das ist die wirklich entscheidende Aufgabe.

Wir haben das angepackt, obwohl wir ein Land sind, das aus guten Gründen auch weiterhin 4 % seines Bruttoinlandsproduktes von West nach Ost transferiert. Wir haben es angepackt und trotzdem die Positionen, die ich genannt habe, erreichen und behaupten können.

Wir wollen als Bundesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in dieser Dekade auf 3 % des Bruttoinlandsproduktes bringen. Wir sind unter den großen Volkswirtschaften in Europa nicht schlecht. Wir sind durchaus mit an der Spitze. Aber die Skandinavier sind besser als wir und wir müssen genau dorthin. Wir werden das erreichen; dessen bin ich mir sicher.

Meine Damen und Herren, es ist hier deutlich geworden, dass wir nicht nur über Flexibilität reden, sondern in Deutschland wahrhaft flexible Produktionsbedingungen geschaffen haben. Nicht zuletzt die Investition hier ist möglich geworden, weil produziert werden kann, wenn Aufträge vorhanden sind. Weil das notwendig ist, ist die Flexibilität immer gewährleistet, die man braucht, um auf den internationalen Märkten erfolgreich sein zu können.

Dieses Land hat sich angesichts zweier riesiger Herausforderungen, der Globalisierung einerseits und eines veränderten Altersaufbaus in Deutschland und in Europa insgesamt andererseits, auf den Weg gemacht, seine sozialen Sicherungssysteme so neu zu justieren, dass wirtschaftliche Effizienz, um die es uns geht, immer auch mit sozialem Zusammenhalt und Sicherheit für die Beschäftigten verbunden werden kann. Denn das ist eine Grundlage dafür, dass sie motiviert und engagiert an die Arbeit gehen können.

Ich denke, dass wir gerade mit dem, was hier in Dresden entstanden ist, zeigen konnten, wie gut wir am Standort Deutschland sind, wie entschieden Behörden, wenn sie gut geführt werden, dabei sind, Neues umsetzen zu helfen, und wie klar Politik Rahmenbedingungen setzen kann, damit das, was nicht nur hier, sondern an vielen Orten entstanden ist und entstehen wird, für die Menschen in diesem Land auch wirklich Erfolge bringen kann.

Das, was Sie, lieber Herr Ruiz, lieber Herr Deppe, dazu geleistet haben, ist außergewöhnlich und ich meine, dass wir allen Grund haben, Ihnen für Ihr Engagement in Dresden zu danken. Das will ich gern tun und mit der Bitte verbinden: Wann immer Sie Neues schaffen, denken Sie an diese Region, denken Sie an Deutschland!

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.