Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 19.01.2006
Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann anlässlich der Eröffnungsveranstaltung zum Projekt "Kopfballspieler - Ein Gipfel der Welt-Literaturen" im Museum für Kommunikation in Berlin.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/01/2006-01-19-zur-eroeffnung-des-projektes-kopfballspieler-ein-gipfel-der-welt-literaturen-,layoutVariant=Druckansicht.html
ich freue mich, Sie zum Empfang der "Kopfballspieler" begrüßen zu können. Ein besonders herzliches Willkommen gilt den Autoren, die uns in den beiden kommenden Tagen ihre Spiel-Kunst demonstrieren werden.
Die hier versammelte Equipe bildet eine veritable Weltauswahl. Darin spiegelt sich der Umstand, dass Fußball ein globales Kulturphänomen geworden ist. Wir begegnen ihm heute nicht mehr nur auf den Sportseiten der Zeitungen, sondern auch im Feuilleton. Der Fußball ist - zum Glück - Teil der Alltagskultur geblieben, aber er ist auch zum Thema des Films, der bildenden Kunst, des Theaters und nicht zuletzt der Literatur geworden.
Auf die Frage, warum die Zuschauer zum Fußballspiel gehen, antwortete Sepp Herberger einmal: "Weil sie nicht wissen, wie´s ausgeht." Und dieses Moment der Spannung und Ungewissheit motiviert natürlich auch den Griff des Lesers zum Buch. Aber die Beziehung zwischen Fußball und Literatur reicht tiefer: Der Fußball spricht alle Sprachen und schreibt wunderbare Geschichten. Er produziert unendlich viel Erzählstoff und bestimmt so die Lebenswelt der Menschen mit - am Arbeitsplatz, in den Schulen, in den Wohnzimmern und Wirtshäusern. Und natürlich bleiben die Erinnerungen an einzigartige Momente und unvergessliche Spiele, die sich, wie das Finale von Bern 1954, in das kulturelle Gedächtnis einer ganzen Nation eingeschrieben haben. Nicht nur die Sprache des Fußballs liefert Metaphern, auch das Spiel selbst kann als Zeichen gelesen werden: für das Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Individuum, für Erfolg und Niederlage, für das Leben schlechthin.
Die Perspektive ist für beides wichtig: für die Betrachtung des Fußballs und für das Verständnis von Literatur. Die Außenperspektive ist dabei nicht immer dankbar - man denke an den Linienrichter, der für einen kurzen Augenblick zum Hamlet wird, wenn er über Abseits oder Nicht-Abseits entscheiden muss. Es ist vor allem der Zugang zu den Innenperspektiven, der den Fußball literarisch interessant macht: Wir können beim Fußball in ganz verschiedener Weise intensiv an einem Geschehen beteiligt sein - als Spieler, als Fan auf den Rängen, als Radiohörer oder eben als Erzähler. Man kann sich dabei auf sich selbst zurückziehen, sich für 90 Minuten aus allem ausblenden - ganz im Banne des Geschehens auf dem Rasen. Man kann aber auch - und das überwiegt - aus der Innenperspektive in der ersten Person Plural sprechen: "Unser Verein spielt; warum wir damals verloren haben; warum wir heute gewinnen werden." Fußball wird so zu einem Kristallisationspunkt kollektiver Identitäten - auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene. Das Regelwerk des Fußballs bildet dabei einen universellen Rahmen, der jedoch offen ist für ganz verschiedene kulturelle Prägungen und Perspektiven. Auch dies trägt zu seiner Literaturfähigkeit bei, macht ihn zur Quelle für Autoren aus aller Welt.
Anlass zur Freude gibt der hier versammelte Weltgipfel der Literatur aber auch aus einer kulturpolitischen Perspektive. Veranstaltungen wie die Fußball-Weltmeisterschaft sind immer auch Möglichkeiten der Darstellung eines Landes. Ich freue mich sehr, dass bei der WM 2006 die Präsentation Deutschlands als Kulturnation eine gewichtige Rolle spielt. Das Kunst- und Kulturprogramm zur WM, das die Bundesregierung mit rund 30 Millionen Euro unterstützt, trägt zu dieser Präsentation wesentlich bei. Es eröffnet ein kulturelles Schaufenster ersten Ranges, eine besondere Plattform der Begegnung von Menschen, Nationen und Kulturen.
Fußball ist ja, zumindest im besten Fall, immer auch ein ästhetisches Vergnügen. Dieses Vergnügen wünsche ich Ihnen heute Abend, in den kommenden beiden Tagen und bei allen kulturellen Ereignissen rund um die WM. Ich denke, wir können uns auf spannende Begegnungen freuen. Vielen Dank.