Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 27.01.2006
Untertitel: Am 27. Januar eröffnete Kulturstaatsminister Neumann die Ausstellung "Pacific Palisades" über deutsche Emigranten in den USA 1933 bis 1945 im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/01/2006-01-27-eroeffnung-der-ausstellung-pacific-palisades-,layoutVariant=Druckansicht.html
Was ist "Exil" ? Exil " ist ein unfreiwilliger Verlust sprachlicher, sozialer und kultureller Wurzeln. Es ist die Abwesenheit eines Menschen aus der eigenen Heimat aufgrund von Verbannung, Vertreibung, Ausbürgerung oder Verfolgung.
Das ist die nüchterne Begriffserklärung aus dem Lexikon und sagt noch nichts aus über Hunderttausende von Einzelschicksalen. Exil " ist auch ein Massenphänomen des 20. Jahrhunderts, zu dem Deutschland Wesentliches beigetragen hat, unter den Folgen leiden wir bis heute.
60 Jahre liegt die Nazi-Barbarei zurück. Zehntausende Schriftsteller, Wissenschaftler und Künstler wurden oder sahen sich gezwungen, Deutschland zu verlassen - aus Gründen ihrer religiösen, politischen oder weltanschaulichen Überzeugungen.
Die Ausstellung "Pacific Palisades - Wege deutschsprachiger Schriftsteller ins kalifornische Exil" richtet ihr Augenmerk auf Biographien, die von schmerzvollem Abschied und ungewisser Ankunft, von Verlust und Neubeginn erzählen.
Wenn die Ausstellung Antworten auf die Frage gibt, ob es eine neue Heimat, auch und gerade eine neue geistige Heimat, in der Fremde geben kann, dann tut sie es anhand von individuellen und exemplarischen Biographien.
Wie unterschiedlich die Erlebnisse der Künstler waren, zeigen etwa die Reflexionen von Thomas Mann, der mitteilte: "Wir leben zwischen unseren Palmen und lemon trees so den längst gewohnten Wartesaal-Tag, in geselligem Reihum mit Franks, Werfels, Dieterle, Neumanns, - immer dieselben Gesichter."
Bertolt Brecht hingegen notierte zynisch: "Hier in Kalifornien kommt man sich vor wie franz von assisi im aquarium, eine chrysantheme im bergwerk oder eine wurst im treibhaus."
Die Modulation der Urteile ist so unterschiedlich, wie die Lage der Schriftsteller im amerikanischen Exil war. In einem stimmen sie jedoch überein: Im Gefühl des Fremdseins im Gastland. Auch wenn "Pacific Palisades" eine Sicherheit auf Zeit bot, es blieb die Sehnsucht nach einer baldigen Rückkehr nach Deutschland.
Dieser Rückblick auf unsere Geschichte und Zeiten, die die Mehrheit der heute lebenden Deutschen nicht mehr erlebt hat, macht verständlich, warum gerade Deutschland eine besondere Verantwortung für Intellektuelle trägt, die heute gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen.
Die Bundesregierung und das P. E. N. Zentrum Deutschland haben vor Jahren gemeinsam ein Stipendienprogramm "Writers in Exile" für exilierte Schriftsteller ins Leben gerufen, das aus dem Bundeshaushalt finanziert wird.
Gegenwärtig haben sechs Autoren aus Algerien, Kuba, dem Iran, Sierra Leone und Tschetschenien eine zweite und hoffentlich nur vorübergehende Heimat in Deutschland gefunden.
In den Pacific Palisades befindet sich ein ganz besonderes Haus, in dem jeder Besucher den großen Geist der deutschen Exilliteratur spüren kann: Es ist die Villa Aurora, die fest mit dem Leben der Feuchtwangers verbunden ist. Der Bund finanziert dieses lebendige Kulturdenkmal des deutschen Exils und verfolgte Autoren können hier zeitweise eine sichere Bleibe finden.
Die Ausstellung, die wir heute gemeinsam eröffnen, steht unter dem Leitthema "Auswanderung". Sie ergänzt sich mit thematisch verwandten Ausstellungen in Bonn und Berlin zu den Themen "Migration","Flucht" und "Vertreibung".
Hier in Bremerhaven geht um die persönlichen Schicksale von zehn deutschen Schriftstellern, die während des Dritten Reiches Deutschland verlassen mussten und in Kalifornien eine neue Heimat fanden.
Mein Dank geht an alle Beteiligten für Idee und Umsetzung dieses großartigen Projektes.
Lassen Sie uns mit Neugier und wachem Verstand durch die Ausstellung gehen. Sorgen wir dafür, dass auch dieser Teil unserer Geschichte nie in Vergessenheit gerät und vor allem: dass er sich niemals wiederholt.