Redner(in): k.A.
Datum: 21.02.2006

Untertitel: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat vor dem japanischen Presseclub in Tokio gesprochen: Beide Länder ständen vor ähnlichen Herausforderungen in einer globalisierten Welt.
Anrede: Sehr geehrter Herr Miyata, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/02/2006-02-21-von-japans-ehrgeiz-lernen,layoutVariant=Druckansicht.html


ich freue mich sehr, hier im Japan National Press Club zunächst zu Ihnen und dann mit Ihnen sprechen zu können. Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Einladung!

Diese Reise ist zugleich - neben Antrittsbesuchen in europäischen Hauptstädten, Moskau und Washington und meiner Reise durch die Länder des Nahen Ostens - meine erste große, längere Reise nach meinem Amtsantritt als Außenminister.

Nicht zufällig führt sie nach Asien und ganz bewusst führt sie mich auch nach Tokio. Denn wir wissen: Unsere Länder weisen eine Fülle von Gemeinsamkeiten und dadurch eine außerordentlich große Nähe auf: Deutschland und Japan sind wirtschaftlich enge Partner, die gegenwärtig im Grundansatz durchaus vergleichbare Reformprojekte betreiben.

Es gibt eine Reihe weiterer Gemeinsamkeiten: Als führende Exportnationen sind Deutschland und Japan gleichermaßen dem Globalisierungsdruck ausgesetzt. Als rohstoffarme Länder erleben wir beide hautnah, wie eng die Zukunft unserer Industriegesellschaften von der Qualität unserer Güter und Dienstleistungen abhängt. Das heißt, alles hängt von unserer Innovationsfähigkeit ab.

Auch in Korea - das ist mir auf der ersten Station meiner Reise deutlich geworden - macht man gegenwärtig diese Erfahrungen. Mit dem koreanischen Präsidenten habe ich gestern natürlich auch über nordkoreanische Nuklearwaffen und andere außenpolitische Fragen gesprochen.

Noch mehr Raum aber nahm in unseren Gesprächen das demographische Problem, die Reform der sozialen Sicherungssysteme und die Gestaltung eines Steuersystems ein, das den Unternehmen Luft zum Atmen gibt und gleichzeitig aber dem Staat ermöglicht, sozialen Ausgleich, Bildung und Forschung zu finanzieren.

Die in der japanischen und der deutschen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Wirtschafts- und Sozialmodelle haben uns für einen langen Zeitraum beispiellosen Wohlstand und Fortschritt gebracht.

Heute gilt es für Japan und Deutschland gleichermaßen, in einer sich rasch ändernden Welt das Erreichte so weit wie möglich zu bewahren und gleichzeitig Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Sowohl die japanische Regierung als auch die Bundesregierung haben deshalb Reformprozesse in Gang gebracht, um diesen Herausforderungen Rechnung zu tragen.

Es wird hier vielleicht unterschätzt, mit wie viel Interesse wir die Erfolge dieser Reformen hier in Japan verfolgen. Wirtschaftlich stehen in Japan alle Zeichen auf Wachstum. Das gilt für Verbrauch, Export und Investitionen gleichermaßen. Alle drei Bereiche wiesen im vergangenen Jahr Wachstumsraten auf, die zu einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von insgesamt 2,8 Prozent beigetragen haben.

Und das in einer Arbeitsmarktsituation, die wir in Deutschland mit einigem Neid betrachten: So las ich vor wenigen Tagen, dass das Verhältnis zwischen Arbeitsuchenden und offenen Stellen in Japan kürzlich zum ersten Mal seit 13 Jahren auf 1: 1 gesenkt werden konnte.

Ganz besonders aufmerksam und interessiert sehen wir Deutsche auch Japans konsequente Förderung der Forschung und Entwicklung in Unternehmen und Universitäten - und zwar auch in Phasen, in denen in anderen Bereichen gespart werden muss.

So erhöhten sich die staatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung zwischen 1991 und 2004 von knapp 20 Milliarden Euro auf fast 30 Milliarden Euro pro Jahr. Nicht von ungefähr sind 20 Prozent aller in den OECD-Staaten arbeitenden Forscher und Wissenschaftler in Japan tätig. Das ist eine Zahl, die zu Wettbewerb herausfordert.

Unsere Entwicklung in Deutschland ist noch nicht ganz so blühend, aber auch in Deutschland sehen wir die ersten Zeichen der konjunkturellen Erholung. Ein Zugpferd des Wachstums sind derzeit die Ausrüstungsinvestitionen, die im vergangenen Jahr um vier Prozent zugenommen haben. Und wir blicken zuversichtlich in die Zukunft, denn für das Jahr 2006 prognostiziert die Bundesregierung einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 1,4 Prozent, manche Wirtschaftsinstitute halten sogar ein Wachstum von etwa zwei Prozent für möglich - das ist wenig gemessen am Wachstum in den USA, aber gemessen am Wachstum der letzten Jahre in Deutschland durchaus vielversprechend.

Entscheidend ist, dass die Bürgerinnen und Bürger mit neuem Optimismus in die Zukunft schauen. Wir wissen aber: Das ist Vertrauen auf Kredit! Eine Fortsetzung der Reformpolitik der letzten Jahre ist deshalb für die neue Bundesregierung ohne Alternative. Einzig diese Politik wird gewährleisten, dass wir damit unserem Land zu neuem Mut und neuer Zuversicht verhelfen können.

Weil Veränderung aber nicht allein Sache der Politik ist, sondern nur als gesamtgesellschaftliches Projekt gelingen wird, sehe ich mit Freude, dass auch die deutschen Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben. In kaum einem Land Europas ist es gelungen, die Lohnstückkosten so deutlich zu senken wie in Deutschland - nicht immer zur Freude der staatlichen Arbeitsmarktpolitik, da Lohnstückkostensenkung in der Regel mit Entlassungen einhergeht, was dann den öffentlichen Haushalten zur Last fällt.

Dass sich aber die Gewinnsituation der Unternehmen verbessert hat, lässt sich auch an den Steigerungsraten der deutschen Aktienindizes ablesen, die EU-weit an der Spitze liegen.

Und es ist uns gelungen, in den letzten Jahren ein neues Bewusstsein für die Bedeutung von Innovation und Wissenschaft zu schaffen - nicht wegen, aber durchaus im Einstein-Jahr. Mit Stolz dürfen wir berichten dass immer noch beispielsweise 30 Prozent der weltweiten Patentanmeldungen im Maschinenbau aus unserem Land kommen.

Wir dürfen auch stolz darauf sein, dass wir unsere Position als erster Exporteur der Welt halten und mit einer Steigerung um 7,5 Prozent im vergangenen Jahr noch ausbauen konnten.

Was macht diese Entwicklung in Deutschland aus? Es gibt immer noch Stärken, von denen wir hier in Japan berichten sollten. Zu unseren Stärken gehören global aufgestellte, hochprofitable, innovative Unternehmen und gut ausgebildete, leistungsfähige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Aber auch, und das ist mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig, ein hohes Maß an Ausgleich zwischen Konkurrenzfähigkeit und sozialem Frieden sowie ein Staat, der für Rechtssicherheit und Chancengleichheit sorgt.

Ein weiteres eint uns: Deutschland steht wie Japan vor einem demographischen Problem. So betrug der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2000 in unseren beiden Ländern noch etwa 17 Prozent. Er wird sich in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf fast 30 Prozent erhöhen.

Für Japan werden sogar mehr als 36 Prozent vorhergesagt. Dass zeigt uns, dass wir in beiden Ländern daran arbeiten müssen - und damit zum Teil schon begonnen haben - , die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest zu machen.

Aber mir ist wichtig, die alternde Gesellschaft nicht nur als Bedrohung zu begreifen. Sie birgt - richtig verstanden - auch große Chancen, denn sie erzwingt technologische und gesellschaftliche Innovationen, etwa bei der Gestaltung der Arbeitswelt, in der Medizintechnik, in der Stadtplanung oder beim Produktdesign.

Wenn unsere beiden Länder sich hier so ähnlich sind, ist es sinnvoll, hier die Zusammenarbeit zu verstärken. Wenn es unseren beiden Staaten gelingt, diese Herausforderung zu bewältigen, können wir wegweisend für viele andere Staaten sein.

In Bildung und Wissenschaft müssen wir einen Weg gehen, der Japans Ehrgeiz ähnlich ist. Deshalb hat sich die neue Regierung darauf verständigt, trotz schwieriger Haushaltslage drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung bereit zu stellen, aus privaten und öffentlichen Mitteln.

Eine Überzeugung leitet dabei unsere Reformpolitik: Eine Politik der Veränderung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie den Sinn für das gesellschaftliche Gesamtgefüge bewahrt. Es geht uns darum, Modernisierung und sozialen Zusammenhalt zu einem Ausgleich zu bringen.

Das erfordert Geduld und viele Schritte. Auch hier ergeben sich Parallelen mit dem japanischen Reformprozess.

Mein Ziel ist, uns noch intensiver mit Japan über unsere Erfahrungen im Reformprozess auszutauschen. Ich gehe davon aus, dass unsere beiden Regierungs- und Managementsysteme offen und lernfähig genug sind, um diesen Austausch fruchtbar zu nutzen.

Der enge Austausch unserer beiden Länder ist keine Entwicklung jüngerer Zeit. Deutschland und Japan eint vielmehr eine langjährige Freundschaft und Partnerschaft, deren Wurzeln sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Später entwickelte sich ein alle Bereiche umfassender Austausch zwischen unseren beiden Ländern.

Das zeigt auch das Deutschlandjahr in Japan. Ich bin froh, dass wir die Beziehungen aktuell halten und unsere Bilder voneinander aktualisieren. Verstehen Sie das Deutschlandjahr als Versuch, das ganze Spektrum des modernen Deutschlands hier in Japan zu zeigen.

Das betrifft Kulturveranstaltungen aber auch Veranstaltungen, an denen japanische Universitäten, Forschungsinstitute und Think Tanks beteiligt waren. Die Themenpalette reicht dabei von der Demographie zur Ökologie, von der Nanotechnologie bis zur Globalisierung des Rechts. Viele japanische Medienunternehmen haben uns dabei hervorragend unterstützt.

Steinmeier mit dem Ministerpräsidenten Koizumi

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den japanischen Freunden und Partnern zu danken. Ich glaube, dass es uns gelingen kann, besonders der jungen Generation den Reiz dieser besonderen Beziehung zu erschließen.

Entscheidend ist es, die Qualität der Beziehungen zu erhalten und zu entwickeln. Deutschland und Japan stellen sich der Aufgabe, die Risiken der Globalisierung zu bewältigen und ihre Chancen nutzbar zu machen. Daran arbeiten wir in enger Kooperation mit unseren Partnern in der Europäischen Union und in Nordamerika, in der G8 und in den Vereinten Nationen.

Es ist notwendig, dass die zweit- und drittgrößte Industrienation der Welt Verantwortung für die internationale Sicherheit tragen. In unserem Engagement sind wir dabei beide geprägt von einer für Deutschland wie Japan sehr zentralen historischen Erfahrung: Unsere beiden Staaten konnten sich nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg zu stabilen Demokratien und dynamischen sozialen Marktwirtschaften entwickeln. Unsere Verantwortung für Frieden und Sicherheit hat mit unserer Geschichte zu tun.

Ich freue mich, dass die Grundlage unserer beider Politik dabei ein erweiterter Sicherheitsbegriff ist. Denn unsere Erfahrung im 20. Jahrhundert hat uns gelehrt, dass wir Sicherheit nicht ausschließlich militärisch verstehen dürfen, sondern die ganze Bandbreite möglicher Risiken abdecken und ein differenziertes Instrumentarium von Reaktionen entwickeln müssen.

Unser Sicherheitsbegriff umfasst deshalb auch Wirtschaft, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Kultur. Dabei geht es konkret darum, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines von Bürgerkrieg zerrütteten Landes zu fördern, in vom Scheitern bedrohten Staaten Verwaltungs- und Polizeistrukturen aufzubauen und nicht zuletzt - und vielleicht erst recht in der Zukunft - einen Dialog zwischen den Kulturen, Religionen und Ethnien zu pflegen.

Wie schwierig gerade diese Aufgabe bisweilen ist, haben wir gerade in den letzten Wochen wieder erleben müssen.

Was der erweiterte Sicherheitsbegriff in der Praxis bedeutet, erleben wir derzeit in Afghanistan. Zur Überraschung mancher Beobachter haben gerade unsere beiden Länder den politischen Neuanfang und den Wiederaufbau dort ganz entscheidend geprägt.

Grundlage unseres Engagements waren die internationalen Afghanistan-Konferenzen auf dem Petersberg bei Bonn, in Tokio und in Berlin und vor wenigen Wochen in London. Für uns beide entscheidend ist der umfassende Charakter des Friedens- und Wiederaufbauprozesses: Der politische Prozess wird gestützt und flankiert von einer militärischen und einer entwicklungspolitischen Komponente.

Wir können heute feststellen, dass wir eine substantielle Verbesserung der Verhältnisse vor Ort erreichen konnten. Ganz besonders wichtig war in diesem Zusammenhang die Demobilisierung, Entwaffnung und Wiedereingliederung der bewaffneten Kräfte. Ich freue mich, dass Japan als Führungsnation diesen Prozess im letzten Jahr rechtzeitig vor den Parlamentswahlen zu einem erfolgreichen Abschluss führen konnte.

Auch Deutschland engagiert sich in besonderem Maße für Afghanistan: Wir sind mit 2.600 Soldatinnen und Soldaten größter Truppensteller der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF, koordinieren die Polizeiausbildung und stellen zwei Regionale Wiederaufbauteams. Demnächst werden wir die militärische Führung für den gesamten Norden übernehmen.

Wir haben auf der Londoner Konferenz vor wenigen Wochen bilanzieren können: Die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan hat sich verbessert. Das Land hat heute eine souveräne Regierung, ein frei gewähltes Parlament und eine demokratische Verfassung. Ein selbstbewusster Präsident repräsentiert das Land mit Erfolg. Der Wiederaufbau von Armee, Polizei und Justiz schreitet voran.

Internationale Unterstützung für Afghanistan wird jedoch weiterhin dringend erforderlich sein. Wir werden unser Engagement fortführen - wie bisher in enger Kooperation mit unseren japanischen Partnern.

Kein Staat und keine Internationale Organisation wäre in der Lage gewesen, den anspruchsvollen und langwierigen Wiederaufbau Afghanistans alleine zu schultern. Wichtig war Deutschland und Japan deshalb von Anfang an, dass der Wiederaufbauprozess multilateral und durch die Vereinten Nationen legitimiert war. Denn Japan und Deutschland teilen das Bekenntnis zu einer multilateralen, vom Völkerrecht getragenen Weltordnung.

In ihrem Zentrum müssen die Vereinten Nationen stehen. Sie sind das wichtigste Forum globaler Regelsetzung. Mit ihrer Glaubwürdigkeit und Legitimität verfügt die Weltorganisation über eine einzigartige universelle Kompetenz zur Legitimation internationaler Einsätze.

Die Struktur der Vereinten Nationen und insbesondere des Sicherheitsrats spiegelt jedoch nicht mehr die Realitäten des 21. Jahrhunderts wider - darüber herrscht weit über Japan und Deutschland hinaus Einvernehmen in der internationalen Staatengemeinschaft. Ein reformierter Sicherheitsrat, dem auch neue ständige Mitglieder angehören müssen, wird der globalen Bedeutung wichtiger Staaten aus unterschiedlichen Weltregionen Rechnung tragen müssen.

Selten zuvor sind wir einer Reform der Vereinten Nationen so nahe gekommen wie mit dem Resolutionsentwurf der G4, den Deutschland, Japan, Indien und Brasilien eingebracht haben. Wir glauben, dass kein anderes bisher vorgelegtes Modell einen so gerechten und zugleich realistischen Reformansatz geboten hat.

Wir glauben außerdem, dass unser Entwurf bisher zudem der einzige ist, der das Potential hat, mit der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit in der Generalversammlung angenommen zu werden. Deshalb haben Brasilien, Indien und Deutschland sich entschieden, den Entwurf auch in die 60. Generalversammlung wieder einzubringen.

Wir sind dankbar, dass Japan sich mit diesem Verfahren einverstanden erklärt hat, auch wenn es selbst diesen Schritt der Einbringung nicht mitvollziehen konnte. Ich bitte darum, die unterschiedlichen Auffassungen dazu nicht zu überspitzen. Wichtig bleibt - und das gilt für uns alle - , dass die enge Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Japan im G4 -Kreis fortgesetzt wird.

Dies ist auch der Rahmen, in dem wir den neuen japanischen Vorschlag weiter diskutieren und prüfen müssen, wenn er denn offiziell vorliegt.

Wir sollten den Streit auch deshalb nicht überspitzen, weil unser gemeinsames Interesse an einer Reform der Vereinten Nationen weit über den Sicherheitsrat hinausgeht. Wir brauchen zum Beispiel eine effektive Kommission für Friedenskonsolidierung.

Hier sind erste Schritte gemacht. Und wir brauchen einen Menschenrechtsrat, der gegenüber der Menschenrechtskommission substantiell gestärkt ist. An diesen Projekten müssen wir weiter arbeiten. Japan und Deutschland tragen hier eine besondere Verantwortung.

Eine weitere Frage, die Sie ebenso bewegt wie uns, ist unser Bemühen um nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung. Hier in der Region liegt dabei das Hauptaugenmerk auf Nordkorea.

Ich kann Ihnen versichern, dass Deutschland die Bemühungen der Sechs-Parteien-Gespräche nicht nur aus der Entfernung mit Interesse verfolgt hat, sondern sie auch für richtig hält und ihnen größtmöglichen Erfolg wünscht.

Unser aller Ziel muss ein nuklearwaffenfreies Korea sein. Alles andere hätte unkalkulierbare Folgen für die regionale Sicherheit. Aber auch unsere globale Sicherheit wäre empfindlich berührt. Denn ein nuklear bewaffnetes Nordkorea würde den jahrzehntelangen Bemühungen der Weltgemeinschaft um nukleare Nichtverbreitung einen fatalen Schlag versetzen. Die gleiche Sorge bewegt uns im Hinblick auf einen nuklear bewaffneten Iran.

Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt ansprechen: Deutschland hat in der Europa ausgesprochen positive Erfahrungen mit regionaler Zusammenarbeit gemacht. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen wir daher die Bemühungen um die regionale Zusammenarbeit und Integration in Ostasien, zum Beispiel den ersten Ostasiatischen Gipfel im Dezember 2005 in Kuala Lumpur.

Auch die "ASEAN plus Drei" -Kooperation aus ASEAN, China, Südkorea und Japan verfolgen wir interessiert. Bei der Gestaltung der Zukunft Ostasiens wird sicher viel davon abhängen, wie Japan und China miteinander kooperieren.

Steinmeier beim Besuch in Japan

Wir sehen mit besonderer Freude, dass Japan die regionale Kooperation in Ostasien aktiv mitgestaltet und prägt. Vielleicht ist dabei eine Anlehnung an Erfahrungen möglich, die wir in der europäischen Integration, aber auch im KSZE / OSZE-Prozess gemacht haben.

Wir können jedenfalls sagen: Auch Staaten, die viele Jahrhunderte lang Kriege gegeneinander geführt haben, können Frieden und Wohlstand dadurch gewinnen, dass sie ihre Grenzen für Handel und Investitionen, kulturelle Begegnung und wissenschaftlichen Austausch öffnen. Aus dieser ganz pragmatischen Form der Zusammenarbeit kann langfristig und in kleinen Schritten auch politische Kooperation erwachsen.

Iich bin überzeugt, dass die Europäische Union Japan als Partner viel zu bieten hat. Ich sehe es deshalb mit Freude, wenn japanische Unternehmen Kontakt zu den europäischen Institutionen suchen. Es freut mich, wenn wir dabei die asiatischen Interessen kennenlernen, die frühzeitig in die Entscheidungsprozesse in Brüssel einfließen sollten.

Ich freue mich, auf dieser Reise von einer kleinen Wirtschaftsdelegation begleitet zu werden. Es sind mittelständische Unternehmer, deren Tätigkeitsfelder von der Informationstechnologie über den Maschinenbau bis hin zu den erneuerbaren Energien reichen.

Sie repräsentieren den besonders im Hochtechnologiesektor starken deutschen Mittelstand, in dem viele Unternehmer durch konsequente Innovation und geschicktes Agieren auch auf ausländischen Märkten zu Weltmarktführern in ihrem Bereich geworden sind.

Die deutschen Unternehmer schätzen das Potential Japans. Ich höre von Wirtschaftsvertretern immer wieder, dass sie gerne nach Japan gehen und dass gerade im Technologiesektor tätige Unternehmen oftmals trotz höherer Kosten hierher kommen, weil sie sich hier mit den Besten der Welt messen können.

Wie die amerikanischen Handelsunternehmen, die sich in Deutschland engagieren, wissen sie: Wenn sie es in diesem besonders anspruchsvollen und umkämpften Markt schaffen, schaffen sie es überall.

Ich glaube, für Deutschland und Japan sagen zu können: Wir sind beide gut, aber wir können noch besser werden. Das Potential, das unsere Wirtschaftsbeziehungen bieten, können wir noch umfassender ausschöpfen. Entscheidend dabei ist, dass beide Seiten gewinnen.

Dies gelingt uns am besten da, wo beide Seiten vom Austausch auch in Wissenschaft und Technologie profitieren. Deshalb haben wir heute verabredet: Wo besserer Austausch möglich ist, wollen wir ihn nutzen. Ich sehe große Chancen zum Beispiel in der Nanotechnologie.

Davon konnte ich mich heute Mittag bei meinen Gesprächen auf der Nanotech-Messe in Odaiba überzeugen.

Heute Vormittag hatte ich Gelegenheit zu einem Besuch der "Einstein in Japan" -Ausstellung im Mitsuo Aida Museum. Sie zeigt anschaulich, wie nachhaltig Einsteins Japan-Besuch im Jahr 1922 ihn geprägt hat.

In einem Beitrag zu einem Handbuch hat Albert Einstein 1948 festgehalten: "Der Mensch muss einsehen, dass seine Geschicke mit denen seiner Mitmenschen in allen Teilen der Welt eng verknüpft sind." Das sagte er lange vor Erfindung des Internets!

In diesem Sinne wissen auch Deutschland und Japan um die Verantwortung, die wir als große Industrienationen tragen. Deutschland und Japan sind Partner mit Erfahrung. Lassen Sie uns dieses Potential nutzen.

Vielen Dank!