Redner(in): Angela Merkel
Datum: 25.04.2006
Untertitel: Ansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Auftaktveranstaltung des Girls' Day 2006 am 25. April 2006 in Berlin
Anrede: Liebe Schülerinnen, sehr geehrte Unternehmensvertreter, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/04/2006-04-25-bundeskanzlerin-merkel-bei-der-auftaktveranstaltung-des-girls-day-2006,layoutVariant=Druckansicht.html
ich freue mich, heute am bundesweiten Girls'Day mit einigen Schülerinnen zusammenzutreffen. Dieser Girls'Day findet zum 6. Mal statt. Am 27. April werden in ganz Deutschland Betriebe ihre Labore, Büros und Werkstätten öffnen - und zwar für Mädchen. Im Kanzleramt machen wir heute schon den Auftakt zu diesem Girls' Day, das heißt, wir bereiten Deutschland darauf vor. Deshalb möchte ich euch ganz herzlich hier willkommen heißen. Ihr habt ja schon einen interessanten Vormittag verbracht, und das Ganze wird nachher noch weitergehen.
Ich glaube, man kann, obwohl der Girls' Day erst zum 6. Mal stattfindet, sagen, dass er eine Erfolgsgeschichte ist. Es nahmen allein im letzten Jahr 127.000 Mädchen in knapp 7.000 Unternehmen und Organisationen an Veranstaltungen teil.
Eine Vorreiterrolle übernehmen dabei die Unternehmen, die in der gemeinnützigen Initiative D21 organisiert sind und die sich ganz besonders für Innovation und Bildung und hier wiederum besonders für den Bereich der Informationstechnologie interessieren. Ich möchte mich ganz herzlich bei denen bedanken, die diese Initiative durchführen. Das ist auch ein Grund, weshalb wir heute sagen: Hier im Bundeskanzleramt seid Ihr ganz herzlich willkommen.
Viele Mädchen, die in den vergangenen Jahren schon am Girls' Day teilgenommen haben, haben sich im Nachhinein dafür entschieden, ein Praktikum oder sogar eine Ausbildung im technischen Bereich anzustreben. Das ist auch genau das Ziel, dass man vom klassischen Rollenverständnis "Hier arbeiten Frauen, da arbeiten Männer" wegkommt und stattdessen zur Auffassung gelangt: Mädchen können alles genauso wie die Jungen. Die Jungen müssten allerdings manche Berufe auch noch etwas zahlreicher ausüben.
Wir haben nun in diesem Jahr eine Überschneidung: Einerseits findet der Girls' Day statt, die Initiative D21 und gleichzeitig das Jahr der Informatik. Daher wollen wir natürlich insbesondere Begeisterung für alles wecken, was mit dem Computer und dem Programmieren zu tun hat. Denn ich denke, dass gerade die Informationstechnologie sehr viele Möglichkeiten für Mädchen mit sich bringt.
Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, ob Ihr euch gern mit dem Computer beschäftigt. Da kann man viele interessante Dinge machen. Euch erwartet ja hier noch ein sehr spannender Nachmittag. Das ist für euch -Ihr seid alle in der 7. Klasse - natürlich auch etwas zum Schnuppern.
Es ist so: Ich bin Physikerin, ich habe Physik studiert. Aber leider haben immer noch zu viele Mädchen Sorgen, ob sie sich mit Naturwissenschaften beschäftigen sollen, ob ihnen das Freude macht und sie es schaffen. Insofern möchte ich euch dazu auffordern, der ganzen Sache offen entgegenzutreten. Es kann nämlich nicht so bleiben, dass die Hälfte der Mädchen aus den rund 350 Ausbildungsberufen immer wieder nur etwa zehn Berufe auswählen und sie immer wieder die gleichen Berufe lernen.
Unsere Welt wandelt sich massiv. Das heißt, ich habe nicht in den Berufen, die ich am besten kenne, die besten Berufsaussichten, sondern ich habe in dem Bereich die besten Berufsaussichten, in dem die Zahl der Arbeitsplätze wächst. Dazu gehört mit Sicherheit die Informationstechnologie.
Ich glaube, dass Mädchen genauso gut wie Jungs den Problemen auf den Grund gehen und die Dinge beobachten können. Ich will euch noch sagen, welche Erfahrung ich gemacht habe, als wir im Physikstudium oder in der Schule praktische Versuche gemacht haben. Es war dann oft so, wenn sich ein Junge und ein Mädchen eine Apparatur, ein Experiment, teilen mussten, die Jungen gleich anfingen, irgendetwas zu machen. Damit haben sie erst einmal das Gerät in Beschlag genommen. Die Mädchen schauen und überlegen, wie man die Sache angehen könnte.
Hinterher hat man einen unheimlichen Kampf darum, wieder an das Gerät heranzukommen, nachdem man sich alles gut überlegt hat. Aber das schnelle Zugreifen bei den Jungen bedeutet auf keinen Fall, dass sie gleich wissen, wie es geht, sondern sie haben oft viele Fehlversuche. Man muss dann als Mädchen sehen, dass man sich durchsetzt.
So ging es mir oft. Deshalb habe ich zum Schluss eigentlich sehr gern mit anderen Mädchen gemeinsam Experimente gemacht. Dann haben wir uns das etwas fairer geteilt und waren manchmal sogar eher fertig als die Jungen am Nachbargerät. -Also, das kann man sich ruhig überlegen.
Nun gab es eine Preisfrage, die ich zum Schluss meiner kurzen Worte noch auflösen werde. Ich möchte der Firma CW Haarfeld ganz herzlich danken; sie hat nämlich den Gewinn gestiftet. Die Preisfrage lautete: Im Jahr 2004 wurden 7.628 neue Ausbildungsverträge für den Beruf des Fachinformatikers beziehungsweise der Fachinformatikerin abgeschlossen. Wie viele von diesen Auszubildenden, also 7.628, waren Frauen?
Die richtige Antwort zeigt uns, dass wir den Girls' Day noch ein paar Jahre brauchen. Es gab nur 554 weibliche Auszubildende. Das entspricht nur 7, 26Prozent. Das sind von 100 Schülerinnen und Schülern also nur sieben Mädchen. Dazu möchte man sagen: Meine liebe Frau, mehr Mut zur Fachinformatikerin!
Wer hat die richtige Antwort gefunden? Xenia Höhle ist der Sache wohl am Nächsten gekommen. Herzlichen Glückwunsch, du hast ja einen sehr realistischen Blick auf die Welt.
Ihr bekommt einen Gutschein für einen Klassenausflug. Mit einem Reisebus geht es nach Bremen ins "Universum Science Center". Dort gibt es die Wunder der Wissenschaft mit interaktiven Exponaten in atemberaubenden Erlebniswelten zum Anfassen. Ich wünsche euch viel Spaß bei der Reise mit dem Bus nach Bremen!