Redner(in): Angela Merkel
Datum: 15.05.2006

Anrede: Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, lieber Herr Braun, Herr Schleyer, meine Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/05/2006-05-15-rede-von-bundeskanzlerin-angela-merkel-anlaesslich-des-empfangs-der-deutschen-mannschaft-der-3,layoutVariant=Druckansicht.html


Der Besuch der Berufsweltmeister hier im Kanzleramt ist eine gute Tradition. Ich habe eben Sie alle schon in dem Sinne als Gewinner bezeichnet, als man erst einmal so weit kommen muss. Sie waren im vergangenen Jahr in Helsinki mit dabei und haben unser Land -ich glaube, das darf man sagen- in hervorragender Weise vertreten.

Ich darf vielleicht einfügen, dass ich am Freitag beim EU-Lateinamerika-Gipfel war. Dort hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, eine Rede über das Thema "Berufsausbildung" gehalten und auch darüber, wie wichtig diese ist. Alle -neben mir saß die chilenische Präsidentin- haben darauf hingewiesen, dass Ausbildung ein Markenzeichen Deutschlands ist. Insofern ist Ihre Teilnahme an der Weltmeisterschaft auch so etwas wie eine Botschaft über unsere Situation an die Welt.

Sie haben den 3. Platz in der Nationenwertung belegt sowie viermal Gold, viermal Silber und zweimal Bronze in den Einzelausscheidungen gewonnen. -Die Medaillengewinner haben auch ihre Medaillen mitgebracht. - Darauf können Sie und wir alle stolz sein. Schon die Fahrkarte zu einer solchen Internationalen Berufsweltmeisterschaft ist natürlich Ausdruck dessen, dass Sie sich auf nationaler Ebene erfolgreich durchgesetzt haben. Auch da liegen schon viele Anstrengungen hinter Ihnen.

Sie haben für die Vorbereitung natürlich viel Kraft und viel Zeit investiert und haben dies mit Leidenschaft betrieben. Dafür möchte ich Ihnen danken, gerade weil sich das alles in der eigentlichen Arbeitszeit nicht schaffen lässt. Ich möchte auch den Betrieben danken, die Ihnen diese Teilnahme ermöglicht haben, und dafür, dass Sie mit vielen Helfern im Hintergrund dann auch nach Helsinki reisen konnten.

Die ganz entscheidende Rolle spielten der Deutsche Handwerkskammertag und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Sie sind auch der Träger des Wettbewerbs auf nationaler Ebene. Ich habe mir sagen lassen, dass 700Teilnehmer aus 40Nationen in Helsinki waren. Das heißt also, dass man durchaus aufpassen muss, dass sich Deutschland gut präsentiert. Deshalb, lieber Herr Braun, lieber Herr Schleyer, ganz herzlichen Dank, verbunden mit der Bitte, auch weiter der Berufsausbildung, aber auch den internationalen Meisterschaften die notwendige Unterstützung angedeihen zu lassen.

Ich glaube, dass durch die Tatsache, dass wir ein duales Ausbildungssystem haben, auch in Helsinki deutlich geworden ist, dass dies ein gutes System ist. Ich habe eben im Zusammenhang darüber, was man über Deutschland weiß, schon gesprochen. Die Kombination aus theoretischer und praktischer Ausbildung wird zwar immer wieder im Einzelfall weiter zu entwickeln sein -es gibt darüber viele Diskussionen- , aber sie ist unschlagbar. Deshalb glaube ich, dass es unser gemeinsames Interesse sein muss, möglichst vielen jungen Menschen, die mit Hoffnung und Enthusiasmus auf ihr Berufsleben schauen, auch die Möglichkeit einer dualen Berufsausbildung zu geben. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass man das nicht durch Zwangsmaßnahmen machen darf. Man muss vielmehr die notwendigen Grundlagen auf der freiwilligen Ebene legen.

Deshalb werden wir uns auch im Zusammenhang mit dem Ausbildungspakt weiter Gedanken machen müssen, wie wir das duale Berufsausbildungssystem so entwickeln, dass die Betriebe auch in der Lage sind, jungen Menschen diese Ausbildung angedeihen zu lassen. Das hat etwas mit der Schulbildung zu tun, mit der die jungen Menschen in die Berufsausbildung kommen. Das hat etwas mit den betrieblichen Rahmenbedingungen zu tun. Betriebe, denen es gut geht und die an ihre eigene Zukunft glauben, stellen auch Lehrstellen und Ausbildungsplätze zur Verfügung. Betriebe, die Sorgen haben, ob sie die nächsten Jahre schaffen werden, sind natürlich sehr viel zurückhaltender. Insofern hängt das alles miteinander zusammen.

Wir haben neulich im Kabinett sehr ausführlich mit der Bundesbildungsministerin über die Situation auf dem Ausbildungsmarkt gesprochen. Wir können nicht uneingeschränkt zufrieden sein -ich glaube, das sind Sie auch nicht. Wir müssen über die Ursachen diskutieren. Dabei ist es wichtig, dass wir für den Mittelstand Bürokratie abbauen. Wir werden einen neuen Kontrollrat einrichten, mit dem wir systematisch überprüfen werden, wie man Bürokratie herunterfahren kann. Wir werden nächstes Jahr, wenn Deutschland die Präsidentschaft in der Europäischen Union innehaben wird, gemeinsam mit der Kommission unter dem Stichwort "better regulation", also "bessere Gesetzgebung", auch versuchen, Richtlinien dort, wo sie sinnlos sind, zu streichen oder umzuwandeln. Auch das gehört dazu: Wir haben verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen, von denen wir hoffen, dass sie bis zum Inkrafttreten einer Unternehmenssteuerreform und einer Erbschaftssteuerreform Anlass zu mehr Investitionen geben werden.

Aber jetzt noch einmal zurück zu Ihnen. Sie alle haben als Team jetzt schon die Ausbildungsphase hinter sich und Sie müssen jetzt den Weg in ein konstantes Berufsleben finden. Dabei wünschen wir und wünsche auch ich ganz persönlich Ihnen alles Gute. Nutzen Sie das, was Sie als Schwung aus dieser Weltmeisterschaft mitgenommen haben, um auch auf den weiteren Wegen erfolgreich zu sein. Das ist heute für die jungen Menschen nicht immer ganz einfach; denn ganz so beständig sind die Beschäftigungskarrieren oft nicht mehr, wie wir das noch vor 20 oder 30Jahren gekannt haben. Aber ich glaube, Ihre Erfahrung ist: Wer sich engagiert, auch ein Stück über den Tag hinaus seine Aufgaben erfüllt und die Freude an guter Leistung erkannt hat, wer weiß, wie nervenaufreibend Wettbewerb ist, wie nervös man dabei ist, aber auch, wie schön es ist, wenn man Erfolg hatte, der wird sich auch bei den weiteren Herausforderungen behaupten.

Ich begrüße Sie noch einmal ganz herzlich hier, danke allen für die Teilnahme, die Vorbereitung und das Engagement und wünsche, dass Sie hier stellvertretend für alle Auszubildenden ein Gesicht und ein Markenzeichen Deutschlands abgeben, auf das wir ein Stück stolz sein können. Deshalb habe ich Sie auch heute gerne hier empfangen.