Redner(in): Angela Merkel
Datum: 11.07.2006

Untertitel: Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des Festaktes zur Eröffnung des VN-Campus Bonn am 11. Juli 2006
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/07/2006-07-11-bkin-rede-vn-campus,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr Generalsekretär,

verehrte Frau Annan,

sehr geehrte Kollegen Gabriel und Wieczorek-Zeul,

liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vereinten Nationen,

sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern,

liebe Minister aus Nordrhein-Westfalen,

ich freue mich, dass ich heute hier dabei sein kann. Denn es ist ein ganz besonderer Tag für Bonn. Es ist ein ganz besonderer Tag für Deutschland und? das ist unsere Hoffnung? vielleicht auch für die Vereinten Nationen.

Mit dem "Langen Eugen", der so etwas wie ein Wahrzeichen parlamentarischer Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland war, übergeben wir den UN-Campus den Vereinten Nationen und damit in eine neue Verantwortung. Ich glaube, dass dies ein Meilenstein in der Geschichte der UN-Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland ist.

Erinnern wir uns: 1973 wurden die DDR und die alte Bundesrepublik Vollmitglieder der Vereinten Nationen. Heute, 33 Jahre später, ist Deutschland ein wiedervereinigtes Land, und wir können den Vereinten Nationen den Ort parlamentarischer Demokratie übergeben, der für die alte Bundesrepublik Deutschland stand. Das zeigt, was sich in dieser Welt verändert hat. Es zeigt, dass uns das Ende des Kalten Krieges völlig neue Möglichkeiten gegeben hat - nicht nur uns in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Das zeigt aber auch, dass wir immer noch vor riesigen Herausforderungen stehen.

1996? also vor fast genau 10 Jahren? wurde das "Haus Carstanjen" am Bonner Rheinufer erstmals mit der blauen UN-Flagge versehen. Ich erinnere mich gut an die "Grundsteinlegung" für den UN-Standort Bonn mit Ihrem Vorgänger, Herr Generalsekretär. Es waren hier damals nur wenige Mitarbeiter. Das BMZ? die wirtschaftliche Zusammenarbeit - und das UN-Freiwilligenprogramm waren Vorreiter. Dann kam das Klima-Sekretariat. Wir waren alle sehr stolz darauf, dass die Vereinten Nationen hier ein Zuhause fanden. Dass heute Hunderte von Mitarbeitern einen richtigen Campus bilden, konnte man sich damals noch gar nicht vorstellen. Mittlerweile sind es zwölf UN-Organisationen geworden, und wir unterbreiten weitere Angebote. Das zuständige Büro für die UN-Wasserdekade könnte auch gut in Bonn angesiedelt sein. Wir wollen? das ist ein ausdrücklicher Wunsch der gesamten Bundesregierung? den weiteren Ausbau des UN-Standortes hier in Bonn, und zwar mit den Schwerpunkten Umwelt und Entwicklung. Dieser Prozess, der in Rio seinen Ausgangspunkt fand, kann durchaus weitere Stärkung vertragen.

Es ist für manch einen? das wissen die hier anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; und ich habe meine Zeit als Umweltministerin auch noch nicht vergessen? ein mühseliger Prozess, auf eine Augenhöhe mit all den wichtigen Organisationen zu gelangen, die es sonst noch bei der UNO gibt, die Verhandlungsprozesse etwas schneller zu gestalten, alle Mitgliedstaaten dabei zu haben, diplomatisch geschickt und trotzdem effizient zu arbeiten.

Umwelt- und Entwicklungsfragen sind Fragen, bei denen sich unterschiedliche Erwartungen, manchmal auch das jeweilige Misstrauen, bahnbrechen: Wollen die Industrieländer eigentlich denen, die noch Entwicklung vor sich haben, nur die Möglichkeiten hierzu abschneiden? Oder geht es wirklich um ein gemeinsames Verständnis unseres großen gemeinsamen Planeten? Dass wir dies hier von Bonn aus zu einem wesentlichen Teil mitgestalten dürfen, ist für uns ein Ansporn? auch als Bundesregierung in den verschiedenen Verantwortlichkeiten? , diese Prozesse als Mitglied der Vereinten Nationen immer wieder nach vorn zu bringen.

Denn wir wissen: Wasser, Boden, biologische Vielfalt und Energie - das alles sind endliche Ressourcen. Wir müssen lernen, mit ihnen gerecht und effizient umzugehen und nicht mehr zu verbrauchen, als wir auch regenerieren können. Das ist ein hehres Ziel. Es wird bei weitem noch nicht eingehalten, ist aber letztendlich grundlegend für die Frage des Überlebens der Menschheit. Nachhaltige Entwicklung also im umfassenden Sinne mit Leben zu erfüllen, das ist eine Aufgabe, der wir uns weiter verpflichtet fühlen wollen und an der wir als Bundesrepublik Deutschland sicherlich auch ein Stück weit gemessen werden.

Wir brauchen? das ist unsere Überzeugung deshalb handlungsfähige internationale Organisationen. Nur sie werden in einer globalen, immer enger zusammenwachsenden Welt die notwendige Autorität haben, Entscheidungen zu treffen. Deshalb sind wir sehr daran interessiert? ich habe das eben in meinem bilateralen Gespräch mit dem UN-Generalsekretär auch intensiv erörtert? , dass die Reform der Vereinten Nationen vorankommt.

Ich glaube, wir alle müssen uns ein Stück aufeinander zubewegen. Es hat keinen Sinn, jahrzehntelang über Ideale zu diskutieren, sondern irgendwann muss man einen realen Schritt nach vorn machen. Dass der UN-Sicherheitsrat eine der zentralen Institutionen ist, die angesichts der vielen Probleme handlungsfähig sein müssen, ist, glaube ich, unstrittig. Die Charta der Vereinten Nationen ist dabei der Wertekanon, an dem wir uns ausrichten. Die Handlungsfähigkeit ist das, woran die Menschen in der Welt die Vereinten Nationen messen werden.

Wir wollen in Bonn? sozusagen im Heimatort des UN-Campus mit den Schwerpunkten Entwicklung und Umwelt? unseren Beitrag innerhalb der Vereinten Nationen leisten. Die Oberbürgermeisterin und die Landesregierung haben schon gesagt, wie erfreut sie darüber sind. Für die Bundesregierung darf ich das genauso sagen. Wir wollen als Mitgliedsland der Vereinten Nationen Sorge dafür tragen und auch andere ermutigen, dass die Vereinten Nationen ihrer Verantwortung gerecht werden können einer Verantwortung, die in den nächsten Jahren wachsen wird und die deshalb von besonderer Bedeutung ist.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hier arbeiten, wünsche ich eine gute Heimat in dieser Stadt, in Bonn, in Deutschland, wo Sie spüren, dass Sie willkommen sind. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie Erfolge in Ihrer Arbeit haben einer oft mühseligen, aber unendlich wichtigen Arbeit.

Alles Gute und herzlichen Dank, dass ich heute dabei sein darf.