Redner(in): k.A.
Datum: 20.07.2006

Untertitel: Rede anlässlich des öffentlichen Feierlichen Gelöbnisses der Bundeswehr am 20. Juli 2006 im Bendlerblock
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/07/2006-07-20-rede-jung-geloebnis,layoutVariant=Druckansicht.html


Ich begrüße Sie herzlich zu dem Feierlichen Gelöbnis des Wachbataillons im Bendlerblock in der Stauffenbergstraße. Seit der Wiedervereinigung unseres Vaterlands ist es zur guten Tradition geworden, das ehrende Gedenken an den deutschen Widerstand zum Anlass für ein feierliches Gelöbnis zu nehmen.

Heute ist für Sie ein besonderer Tag Ihres Lebens und heute ist für uns alle ein besonderer Tag: der 20. Juli, an dem wir des gescheiterten Staatsstreichs und Attentats auf Hitler vor 62 Jahren gedenken.

Hier, an diesem Ort deutscher Geschichte im Zentrum des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, geloben heute 260 junge wehrpflichtige Rekruten, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

Dazu nehmen Sie als "Staatsbürger in Uniform" besondere Pflichten auf sich. Befehl und Gehorsam sowie eine weitreichende Verpflichtung zur Treue, die auch den Einsatz des eigenen Lebens einschließt, kennzeichnen Ihren soldatischen Dienst.

Die Gelöbnisformel, die der demokratische Rechtsstaat von seinen Wehrpflichtigen entgegennimmt, gehört zum Kern des Vermächtnisses des Deutschen Widerstandes: Die Verpflichtung des Soldaten zum treuen Dienen und zum tapferen Verteidigen von Recht und Freiheit ist an die Verpflichtung des Staates gebunden, die unantastbare Würde des Menschen zu achten und zu schützen.

Ganz besonders begrüße ich unseren Ehrengast, meinen britischen Amtskollegen Des Browne."Des, it is both a pleasure and a great honour to have you with us!"

Dass Sie, lieber Des, heute die Gelöbnisansprache halten, das Musikkorps der Royal Electrical and Mechanical Engineers zusammen mit dem Stabsmusikkorps der Bundeswehr spielt und ein Ehrenzug der Royal Dragoon Guards inmitten der Paradeaufstellung steht, symbolisiert die enge Partnerschaft unserer Streitkräfte, und die freundschaftliche Verbundenheit unserer Nationen.

Wir nehmen oftmals Errungenschaften wie diese als selbstverständlich hin und vergessen dabei, wie kostbar sie sind. Deutschland und Großbritannien haben nach dem Zweiten Weltkrieg einen langen Weg zurückgelegt, um hierher zu gelangen. Dafür sind wir dankbar und können mit Fug und Recht stolz auf das Erreichte blicken.

Rekruten des Wachbataillons!

Die Opfer des 20. Juli mahnen uns: den Frieden und die Freiheit zu bewahren, dem Recht und der Gerechtigkeit zu dienen, und den Werten unseres Grundgesetzes zu entsprechen. Wir gedenken heute jener Gruppe von Widerstandskämpfern um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, die versuchte, Hitler und das nationalsozialistische Gewaltregime zu beseitigen. Sie wollten die Herrschaft des Rechts wiederherstellen und der Menschenwürde ihre notwendige Achtung verschaffen. Das Attentat auf Hitler und der Staatsstreich schlugen fehl.

In der Nacht zum 21. Juli 1944 wurden Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Helfer im Innenhof des Bendlerblocks erschossen. Der 20. Juli 1944 steht für den letzten Versuch von Deutschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, sich mit eigener Kraft von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu befreien.

Und für den Fall des Scheiterns sollte der Welt zumindest ein Signal gesendet werden, dass ein anderes Deutschland existiert. Generalmajor Henning von Tresckow, auch er gehörte zu den Männern des 20. Juli, hat dies in einem bekannten Diktum formuliert: " Das Attentat muss erfolgen. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat. ( Zitatende )

Die Bundeswehr pflegt die Erinnerung an den 20. Juli, weil ihr Selbstverständnis, weil ihr Staatsverständnis mit ihm zu tun haben. Mit dem Feierlichen Gelöbnis am heutigen Abend stellt sich die Bundeswehr ganz bewusst in die Tradition des militärischen Widerstandes gegen Hitler und sein Unrechtsregime. Hier liegen die geistigen Wurzeln für den Neubeginn der Bundeswehr als Armee in der Demokratie.

Von Anfang an war der militärische Widerstand zentraler Bestandteil der staatsbürgerlichen Bildung unserer Soldaten. Die Männer und Frauen um Oberst Graf von Stauffenberg stehen im Zentrum des Leitbildes vom "Staatsbürger in Uniform". Sie stehen vor allem dafür, dass es sich lohnt, tapfer für Recht und Freiheit einzutreten. Die Lehren der Geschichte bleiben. Das Bekenntnis zur Freiheit, Recht und Ehre ist die eine. Die andere lautet: Als verantwortliches Mitglied der Staatengemeinschaft können und dürfen wir uns unserer Verantwortung nicht entziehen. Großbritannien steht in diesem Geist an unserer Seite. Sie waren an der Seite des freien Teil Deutschlands ein verlässlicher Partner. Hier in Berlin und anderswo in Deutschland waren Sie bereit, Freiheit und Sicherheit der Menschen zu verteidigen. Und auch heute ist auf das Vereinigte Königreich Verlass, in Afghanistan und an anderen gefährlichen Plätzen auf der Welt, als engagiertes Mitglied in der Nordatlantischen Allianz und in der Europäischen Union. Großbritannien setzt damit seine noble Tradition fort, Gefährdungen der Freiheit und des Rechts entschlossen entgegenzutreten. Einigkeit macht stark. Dies ist auch eine der Lehren des 20. Juli. Nur gemeinsam können wir die Probleme lösen.

Diese Erfahrung machen Sie als Rekruten, wenn Sie in die soldatische Gemeinschaft eintreten und dienen. Und diese Erfahrung machen auch Staaten angesichts der Herausforderungen der modernen Welt. Deshalb steht Deutschland gemeinsam mit seinen Partnern und Verbündeten zu seiner Verantwortung. In den Einsätzen, in denen heute Soldaten und Soldatinnen dienen, schützen sie die Werte unseres Grundgesetzes. Recht und Freiheit diese demokratischen Errungenschaften sind bewahrenswerte Güter. Dass sie sehr verletzlich sind, haben viele Menschen in Deutschland am eigenen Leib erfahren müssen.

Rekruten des Wachbataillons!

Vertrauen und Verlässlichkeit, dies gilt in beide Richtungen. Demokratie ist ein kostbares, ein hohes Gut; sie erfordert den aktiven Einsatz. Das Eintreten für Freiheit und Recht, auch unter Einsatz des eigenen Lebens, das ist das eigentliche Vermächtnis der Männer und Frauen des 20. Juli. Wir Nachlebenden stehen zu diesem Erbe und wir stehen in der Pflicht, uns für dieses einzusetzen. Damit schließt sich der Kreis zwischen den aufrechten Männern des 20. Juli und unseren Soldaten heute.

Vielen Dank.