Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 27.08.2006

Untertitel: In seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962 bis 1806" im Deutschen Historischen Museum am 27. August 2006beschreibt Kulturstaatsminister Bernd Neumann die staatliche Enwicklung Deutschlands und schlägt den Bogen zur aktuellen Föderalismusdebatte.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/09/2006-09-05-rede-neumann-dhm,layoutVariant=Druckansicht.html


ich freue mich, heute mit Ihnen die Ausstellung über das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" eröffnen zu können. Zunächst aus einem ganz naheliegenden Grund: Das Deutsche Historische Museum Unter den Linden wird vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert und ist eines der Flaggschiffe unserer Bundeskulturpolitik.

Hier, im Herzen der Hauptstadt, ist in der kürzlich von der Bundeskanzlerin eröffneten Dauerausstellung zu besichtigen, was die Kulturnation Deutschland in ihrer Geschichte bewegte und bewegt. Was unser Land, unsere nationale Identität als Deutsche eigentlich ausmacht. Wie wir wurden, was wir sind. Worauf wir stolz sein können. Aber auch, wo wir Schreckliches zu verantworten haben.

Das Deutsche Historische Museum macht uns und einem breiten Publikum klar, dass es sich lohnt, den Blick zurück zu wagen, weil es die Perspektive weitet und uns die Gegenwart mit neuen Augen sehen lässt.

Zwei Aspekte sind dabei für mich gerade bei der heutigen Ausstellung besonders interessant. Meine Damen und Herren, ohne das Heilige Römische Reich wäre das heutige Deutschland ganz sicher kein Bundesstaat. Die Teilung Deutschlands in viele kleinere und größere Territorialstaaten, die das Heilige Römische Reich vor allem in seiner späteren Phase prägten, ist ein Grund dafür, dass sich in Deutschland jener Föderalismus entwickelte, der heute prägend für das politische System unseres Landes ist.

Der Föderalismus hat ja in der aktuellen Debatte um seine Reform, um Zuständigkeiten, um vermeintliche und echte Blockaden durch Bund oder Länder auf viele Bürger unseres Landes nicht immer den besten Eindruck gemacht. Viele sehen im Föderalismus ein Hemmnis, weil er den Einzelinteressen der Länder zuviel Macht gegenüber dem großen Ganzen dem Bund einräume, weil er Abstimmungen und Reformen eher verlangsame und erschwere als erleichtere. Das ist aber nur ein Aspekt, deshalb wird die Föderalismusreform hier Verbesserungen bringen. Es wird nur zu leicht vergessen, wie viel der Föderalismus auch zum Wohlstand und zum Erfolg unseres Landes beigetragen hat. Wettbewerb miteinander hat zu einer faszinierenden Vielfalt in Geschichte und Kultur geführt.

Rund 8 Milliarden Euro gaben Bund, Länder und Gemeinden im Jahr 2003 für die Kultur in Deutschland aus. Durch dieses föderale Zusammenspiel haben wir eine Kulturlandschaft, die weltweit einzigartig ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten dominieren bei uns nicht die Metropolen allein, auch in den kleineren Städten findet man ein reichhaltiges Kulturangebot, das nicht nur Museen, Sammlungen, Theater und Musik umfasst, sondern auch Bibliotheken und soziokulturelle Zentren. Kultur ist in Deutschland immer zugleich national und regional orientiert.

Verstehen kann den deutschen Kulturföderalismus jedoch nur derjenige, der auch seine Ursprünge kennt. Deswegen bin ich froh, dass wir heute eine Ausstellung eröffnen können, die uns vor Augen führt, wo der Ursprung dieser politischen Grundordnung zu suchen ist

Das gilt auch für einen zweiten Aspekt, nämlich die europäische Dimension der deutschen Geschichte. Es sieht fast so aus, als habe das alte Reich die heutige Form der Europäischen Union vorweggenommen.

Viele allerdings glauben, die Europäische Union sei allein eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, entstanden aus den furchtbaren Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. In Wirklichkeit war Europa zwar nie eine politische, dafür aber immer eine kulturelle Einheit. Und ganz besonders gilt das für das Heilige Römische Reich, in dem verschiedene Völker und Sprachen durch ein eher loses Band zusammengehalten wurden. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ist daher nicht nur ein Abschnitt der deutschen Geschichte. Es ist Teil der Vergangenheit vieler europäischer Staaten. Auch darin liegt die Relevanz dieser Ausstellung. Sie führt uns vor Augen, dass Deutschland und Mitteleuropa historisch und kulturell unauflösbar miteinander verwoben sind.

Mit der Europäischen Union unserer Tage hat ein großer gemeinsamer Kulturraum mit jahrhunderte- , ja sogar jahrtausendealter Tradition seine zeitgemäße, moderne Form gefunden.

Die Ausstellung über das Heilige Römische Reich führt uns die geschichtliche Dimension dieser Gemeinsamkeit eindringlich vor Augen. Sie schlägt jenen großen Bogen zurück, der die Probleme der Tagespolitik schnell relativiert und uns die innere, historische Folgerichtigkeit der europäischen Einigung sehr deutlich macht.

Ich danke den Direktoren beider Museen und ihren Mitarbeitern: Herr Professor Ottomeyer, Herr Professor Puhle, gemeinsam mit Ihrem jeweiligen Team haben Sie Beeindruckendes auf die Beine gestellt!

Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, fesselnde Eindrücke in einer Ausstellung, die der Geschichte gewidmet ist, und doch die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart baut.

Vielen Dank.