Redner(in): Thomas de Maizière
Datum: 08.09.2006

Untertitel: am 8. September in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Präsident Falke, meine Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/09/2006-09-13-rede-chefbk-markenverband,layoutVariant=Druckansicht.html


Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass die Bundeskanzlerin anders als geplant und zugesagt - heute aufgrund dringender Terminverpflichtungen nicht zu Ihnen sprechen kann.

Sie bedauert dies sehr und hat mich gebeten, Ihnen ihre besten Grüße auszurichten.

Der Markenverband vertritt seit über 100 Jahren in der Tradition seiner Gründer, August Oetker und Fritz Henkel, die Interessen der Markenindustrie.

Marken sind allgegenwärtig. Wir alle sind mit ihnen groß geworden. Einige von uns mit Persil, Milupa, Nivea und Afri-Cola. Andere mit Spee, Milasan, Florena und Club-Cola.

Markenartikel geben dem Verbraucher eine wertvolle Orientierungshilfe in der Flut unterschiedlichster Angebote, denn Marken versprechen gleichbleibend hohe Qualität. Man erinnert sich an sie. Sie kennen den schönen Satz: "Da weiß man, was man hat."

Ihre Branche spiegelt die Stärken, aber auch die Herausforderungen unserer Volkswirtschaft in besonderer Weise wider.

Die vorgestern vom Markenverband vorgestellte Studie "Die Bedeutung von Marke und Markenartikelindustrie" hat dies bestätigt.

Etwa 1,5 Millionen Menschen sind in diesem Sektor unmittelbar beschäftigt. Noch einmal so viele Menschen arbeiten in vor- und nachgelagerten Bereichen.

Die Markenindustrie stellt mit über 20 Prozent einen beträchtlichen Anteil des deutschen Warenexports.

Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt liegt bei 7 Prozent.

Zwischen 1998 und 2005 ist ihr Umsatz im Durchschnitt um 3,6 Prozent pro Jahr gewachsen und betrug letztes Jahr über 360 Milliarden Euro.

Gemessen an der Börsenperformance hat sich der Wert der im DAX und MDAX notierten Markenartikelunternehmen sogar vervierfacht.

All das sind positive Entwicklungen.

Mittlerweile ist die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung gekommen

und das nutzt gerade auch der Markenindustrie.

Das Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Halbjahr 2006 mit über 2 Prozent so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr gestiegen. Auch für das Gesamtjahr rechnen viele Experten inzwischen mit einer Zwei vor dem Komma.

Sowohl das Konsumklima der Verbraucher als auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt beginnen sich zu verbessern.

Und: Ein Wandel im Verbraucherverhalten in Deutschland, den Sie erwarten, wird diesen Aufwärtstrend verstärken.

Die Preisfixierung der Verbraucher dies stellen Sie in Ihrer aktuellen Studie ebenfalls fest nimmt zum ersten Mal seit 1995 wieder ab.

Dies eröffnet der Markenindustrie zusätzliche Chancen dort, wo sie bereits stark ist, nämlich in den hochwertigen Premiumsegmenten. Geiz ist geil " hält keine Gesellschaft zusammen.

Schnäppchen gut und schön: aber unsere Gesellschaft darf nicht eine Schlussverkaufsgesellschaft sein.

Meine Großmutter hat immer gesagt: "Ich bin zu arm, um billig zu kaufen."

Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Betätigung zu verbessern.

Deshalb eine Bemerkung für drei spezielle Rahmenbedingungen:

Meine Damen und Herren,

1. Innovative Produkte in einer verlässlich hohen Qualität erfordern erhebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Die Unternehmen der Markenindustrie geben jährlich über 4 Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus.

Doch sogenannte Produktpiraten missbrauchen häufig das Vertrauenssiegel der Marke, um mit schlechten Kopien illegale Profite zu machen.

Piratenware hat inzwischen einen Anteil von mindestens 5 Prozent am Welthandelsvolumen.

Plagiate entwerten die in Markenprodukten enthaltenen Investitionen und bedrohen dadurch hochwertige Arbeitsplätze.

Daneben birgt die Produkt- und Markenpiraterie aber auch erhebliche Gefahren für den Verbraucher. Die Qualität der nachgeahmten Produkte ist meist erbärmlich, ihr Gebrauch manchmal gefährlich.

Als Beispiel möchte ich nur den Arzneimittelsektor nennen. Nachgemachte Medikamente können ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen.

Daher müssen wir das in Markenprodukten enthaltene Wissen schützen.

Der Schutz geistigen Eigentums ist gerade in einer expandierenden Wissensgesellschaft für uns Deutsche eine zunehmende wichtige Aufgabe.

Die Bundesregierung ist hier aktiv:

Mit dem "zweiten Korb" zur Reform des Urheberrechts werden der Schutz des geistigen Eigentums Stichwort "Kopierschutz" und das urheberrechtliche Vergütungssystem verbessert.

Und noch in diesem Jahr werden wir die gerichtliche Durchsetzung der Rechte aus geistigem Eigentum erleichtern.

Doch allein mit nationalen Mitteln ist der international operierenden Produktpiraterie nicht mehr beizukommen.

Das Internet ist mittlerweile einer der Hauptvertriebswege dieser Form der Kriminalität.

Daher werden wir im nächsten Jahr unsere europäische Ratspräsidentschaft und den Vorsitz der G-8 Staaten auch dazu nutzen, den Schutz geistigen Eigentums weiter voranzutreiben.

Den im April dieses Jahres von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag einer Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur besseren Verfolgung von Produktpiraten begrüßen wir ausdrücklich.

Meine Damen und Herren,

2. Wettbewerbsrechtliche Fragen spielen für die Hersteller von Markenprodukten seit jeher eine zentrale Rolle.

Der Markenverband hat die Bundesregierung wiederholt aufgefordert, eine Lösung für die sogenannte "Ross und Reiter-Problematik" zu finden.

Aus Furcht vor Repressalien scheuen sich kleine Unternehmen oftmals, dem Kartellamt verbotene Preis- und Konditionsforderungen marktstarker Unternehmen zu melden: Aus Sorge, künftig keine Aufträge mehr zu erhalten, werden "Ross und Reiter" nicht genannt.

Das Thema war bereits Gegenstand der letzten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

Kartellbehörden wurden dabei mit einem sogenannten Enquete-Recht neu ausgestattet.

Dieses Recht autorisiert die Kartellbehörden, auch ohne konkreten Anfangsverdacht bestimmte Wirtschaftszweige oder Vereinbarungen zu untersuchen.

Unternehmen, die Hinweise geben, werden durch diese Regelung geschützt, da sie namentlich nicht genannt zu werden brauchen.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die seit gut einem Jahr geltende Vorschrift die Problematik entschärft hat.

Nur wenn wir sicher sind, dass die neu geschaffene Regelung unzureichend ist, sollten wir hier wieder gesetzgeberisch aktiv werden.

3. Ein weiteres Thema liegt in dem, was gemeinhin "Preisverhau" oder "Geizmentalität" genannt wird.

Gemeint ist damit eine übermäßige Orientierung des Verbrauchers an niedrigen Preisen.

Dies setzt Hersteller hochwertiger Markenartikel einem besonderen Wettbewerbsdruck aus.

Daher fordert der Markenverband eine Preisbindung für den Weiterverkauf von Markenartikeln.

Nun wurde die Preisbindung für Markenartikel 1973 im deutschen Recht abgeschafft.

Hintergrund für die Streichung der Vorschrift war der Schutz der Wettbewerbsfreiheit. Dieses Argument hat nach wie vor Gültigkeit.

Hinzu tritt, dass nach europäischem Recht solche Preisbindungen bis auf wenige Ausnahmen verboten sind.

Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass sich Qualität und Leistung "der Marke" auch ohne Preisbindung weiterhin durchsetzen werden.

Dies ist in erster Linie Aufgabe der Hersteller von Markenartikeln selbst. Und dass Sie hier auf einem guten Wege sind, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass immer mehr Verbraucher wieder bereit sind, für bessere Leistungen auch höhere Preise zu zahlen.

Meine Damen und Herren,

im Koalitionsvertrag wurde beschlossen, den Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis grundsätzlich zu untersagen.

Der Markenverband fordert darüber hinaus, das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis generell auf alle Waren auszudehnen.

Hierzu ist anzumerken, dass ein derartig weitreichendes Verbot immer einer triftigen ordnungspolitischen und natürlich auch verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Ob beides vorliegt, erscheint mir zweifelhaft.

Wir wollen Bürokratie abbauen.

Die anstehende Novellierung des GWB soll deshalb auf das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis bei Lebensmitteln begrenzt werden.

Meine Damen und Herren,

nun aber ebenfalls drei Bemerkungen zu allgemeinen Rahmenbedingungen:

der Markenindustrie kann es letztlich nur so gut gehen, wie es der Wirtschaft insgesamt geht.

Ziel der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung ist es, durch gezielte Impulse und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen die erreichte Wachstumsdynamik in Deutschland zu verstetigen und den einsetzenden Beschäftigungsaufbau zu verstärken.

1. Ein wesentliches Element unserer Politik ist die strukturelle Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Dabei setzen wir gleichermaßen auf Einsparungen, den Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen sowie Einnahmenverbesserungen.

Wir haben jetzt überplanmäßige Steuermehreinnahmen. Die ca. 3 Milliarden Euro beim Bund setzen wir zur Senkung der Neuverschuldung ein. Dadurch entlasten wir die Bürger nachhaltig von zukünftigen Zinsausgaben des Bundeshaushalts.

Ich verstehe, dass die Mehrwertsteuererhöhung gerade für Ihre Branche eine "bittere Medizin" ist.

Doch sie ist unverzichtbar, um die öffentlichen Finanzen zu kurieren und die Lohnnebenkosten zu senken.

Viele Experten rechnen mittlerweile nur noch mit einer vorübergehenden Verlangsamung des Wachstumstempos im kommenden Jahr.

Diese Einschätzung haben EU-Kommission und OECD gerade erst bekräftigt und ihre Wachstumserwartung auch für 2007 für Deutschland nach oben korrigiert.

2. Mit der Unternehmensteuerreform werden wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland ansässigen Unternehmen und die Voraussetzungen für Investitionen deutlich verbessern.

Die Unternehmensteuerbelastung soll von rund 39 Prozent auf knapp unter 30 Prozent reduziert werden.

Wir wollen mit der Reform aber auch sicherstellen, dass in Deutschland erwirtschaftete Gewinne der Besteuerung in Deutschland unterliegen.

Eine Besteuerung von Kosten im Rahmen der Körperschaftsteuer scheint mir aber nicht der richtige Weg zu sein, um Gewinnverlagerungen zu verhindern.

3. Wir setzen für Forschung und Entwicklung 6 Milliarden Euro zusätzlich ein.

Meine Damen und Herren,

Wir werden unsere Strategie Sanierung der Staatsfinanzen, Reform der Sozialsysteme, Investitionen für Innovation und Wachstum konsequent fortsetzen. Das ist der Dreiklang der Regierungspolitik.

Herr Falke hat vorhin über Strukturreformen substanzieller Art gesprochen. Jeder meint aber in eine andere Richtung.

Ich habe Ihnen die Grundrichtung der Strukturreformen, an denen die Bundesregierung derzeit arbeitet, aufgezeigt. Nicht gesprochen habe ich über Bürokratieabbau, die Gesundheitsreform, den Niedriglohnsektor. Hier gibt es ebenfalls eine Menge Arbeit, damit unser Land wieder nach vorne kommt. Damit Deutschland eine geachtete Marke bleibt.

Vielen Dank für Ihr Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute.