Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 20.09.2006

Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann hatdem Deutschen Kulturrat auf einer Festveranstaltung zum 25-jährigen Bestehen gratuliert. Der Deutsche Kulturrat wurde am 14. September1981 als politisch unabhängige Arbeitsgemeinschaft kultur- und medienpolitischer Organisationen und Institutionen gegründet. Ihm gehören heute 210 Verbände an.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/09/2006-09-20-neumann-kulturrat,layoutVariant=Druckansicht.html


vom römischen Kaiser Augustus wird berichtet, dass er bei Einladungen einflussreicher Bürger stets bestens bewirtet wurde, und zwar umso opulenter, je größer die Anliegen und Wünsche des Gastgebers waren. Augustus soll das durchaus genossen haben. Als er einmal das Gefühl hatte, nicht angemessen beköstigt worden zu sein, soll er zum Abschied dem Hausherrn gesagt haben: "Ich wusste gar nicht, dass wir so gut befreundet sind."

Ich kann nicht sagen warum, aber an diese Anekdote muss ich oftmals denken, wenn ich die fast täglichen Presseerklärungen des Deutschen Kulturrates lese.

Heute, 2000 Jahre später, ist das Verhältnis der Regierenden zu den Bürgern oftmals nicht weniger kompliziert. Auch heute noch lassen sich nicht alle Erwartungen erfüllen, die der eine an den anderen stellt.

In der Berliner Zeitung von heute heißt es: "Unseren täglichen Zimmermann gib uns heute. So lautet die Klage manches Fax- und Mail-Empfängers."

Was sagt uns das? Der Deutsche Kulturrat ist im kulturpolitischen Alltag überaus präsent und zum Glück nicht nur durch seine Pressemitteilungen. Er kennt keine falsche Scheu vor Fürstenthronen, im Gegenteil: Er teilt freigiebig aus und schenkt ebenso ein.

Und der Deutsche Kulturrat ist eine gewichtige Stimme im kulturellen Leben Deutschlands. Denn es ist nicht die Stimme eines Einzelnen auch wenn das manchmal so scheinen mag, sondern die Stimme von Tausenden in der Kultur tätigen Menschen. Ich habe allen Respekt und jede Achtung vor dieser zumeist ehrenamtlichen Arbeit dem Mitdenken, dem Mitsorgen, dem Mitstreiten, dem Mitgestalten. Und darum freue ich mich, dem Deutschen Kulturrat und seinen 210 Mitgliedsverbänden zum 25jährigen Bestehen herzlich zu gratulieren. Ich danke Ihnen für Ihre Anregungen und Ihren hin und wieder sogar gerechtfertigten Protest.

Wenn ich mich heute mit Ihnen über Ihr Jubiläum freue, dann tue ich es in dem Bewusstsein, dass uns gemeinsam Wichtiges verbindet. Uns allen liegt das Wohl der deutschen Kultur und die Zukunft Deutschlands als europäischer Kulturnation ganz besonders am Herzen. Das geht nicht allen so. Manche in der Politik sehen in der Kultur zwar etwas Schönes, aber in der Rangfolge eher Zweitrangiges im Vergleich zu Wirtschaft, Arbeit und Innerer Sicherheit. Aber wir, die wir hier heute versammelt sind, wissen doch, dass diese Einschätzung unangemessen ist. Denn die Kultur ist das Fundament, auf dem die Gesellschaft aufbaut. Sie stiftet gerade in dieser Zeit der Globalisierung und der weit verbreiteten Orientierungslosigkeit jenen Zusammenhalt und jene Werte, die wir alle brauchen. Sie lehrt uns, dass es eine Welt jenseits der Funktionalität und jenseits von Nützlichkeitserwägungen oder gar von Profit gibt. Kultur, das ist die Summe all der Lebensäußerungen, mit denen wir unsere Welt gestalten und verändern. Kultur beinhaltet das System von Normen und Werten, das unsere Gesellschaft ihrem Zusammenleben zugrunde legt. Kultur umfasst aber auch den Bereich, den wir alle wohl als erstes mit Kultur assoziieren: das Reich der Künste. Kultur, so könnte man fast pathetisch sagen, ist das, was den Mensch erst zum Menschen macht. Und deshalb ist die Aussage in unserer Koalitionsvereinbarung wichtig und richtig: Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine Investition in die Zukunft.

Und deshalb bin auch ich dafür, dass die Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen wird. Natürlich hätte dieses nicht zwangsläufig eine bessere finanzielle Ausstattung zur Folge, aber es würde der Bedeutung der Kultur für unsere Gesellschaft angemessen Rechnung tragen und hätte eine positive Signal- und Motivationswirkung für alle Kulturschaffenden. Die Grundgesetzänderung steht im parlamentarischen Bereich auf der Agenda. Schon als Parlamentarier habe ich das Ziel unterstützt und das wird auch so bleiben!

Angesichts der großen Bedeutung der Kultur für unsere Gesellschaft kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Kulturförderung zu den ureigensten Aufgaben des Staates bzw. der Politik gehört. Und die Kulturpolitiker sind die Anwälte der Kultur. Es gibt Kulturpolitiker die glauben, dass sie sich besser mit Kunst und Kultur auskennen als die Künstler selbst. Ich glaube dagegen nicht, dass es Aufgabe der Politik sein sollte, den Kulturschaffenden Ratschläge zu erteilen, was sie wie gestalten mögen. Die Kulturpolitik muss vielmehr die Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Kunst und Kultur gedeihen können. Die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu stabilisieren und sie zu verbessern, das ist mein Credo als Kulturstaatsminister.

Nun haben wir in der Bundesrepublik Deutschland für die Kulturförderung ein sehr effektives, aber auch sehr komplexes Zusammenspiel von Bund, Ländern und Gemeinden entwickelt, und das ist eine Folge des Föderalismus.

Der Föderalismus in Deutschland hat eine große Tradition. Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Diktatur hat er das Grundgesetz geprägt. Aber er ist keine Erfindung des Grundgesetzes. Er ist Ausdruck einer spezifischen Entwicklung deutscher Geschichte. Das Mit- und Gegeneinander von Herrschaften, Fürstenfamilien, Regionen und Kommunen brachte eine besondere Vielfalt hervor. Ein zentralistisch und unitaristisch gestalteter Nationalstaat war und ist mit dieser Vielfalt nicht vereinbar. Dem Föderalismus ist zu verdanken, dass wir in Deutschland eine kulturelle Vielfalt haben, die einzigartig ist.

Dabei sind die kulturstaatlichen Kompetenzen, die das Grundgesetz den Ländern zuweist, wesentlich für ihre Identität und Legitimation. Deutschland ist allerdings keine Union selbständiger Staaten, es ist kein Staatenbund. Deutschland ist bei aller föderalen Prägung ein Nationalstaat und eine Kulturnation. Unserer politischen Verfassung korrespondiert eine gewachsene kulturelle Verfasstheit.

Kultur ist in Deutschland immer zugleich national und regional orientiert. Es gab in Deutschland nie nur ein Zentrum wie London oder Paris, auch wenn Berlin inzwischen durchaus den Rang einer Kulturmetropole beanspruchen kann. Die Qualität des Kulturschaffens in Deutschland hat sich immer aus einer Vielfalt von Städten und Regionen gespeist.

Aber es gibt eben auch die übergreifende, die nationale Dimension. Und für diese nationale Dimension der Kultur hat der Bund eine besondere Verantwortung und zwar, wie der verfassungsrechtliche Terminus lautet,"aus der Natur der Sache". Daran hat auch die jüngst verabschiedete Reform des Föderalismus nichts geändert. Das gilt auch für die Rolle der Bundesregierung in der Europäischen Union im Kultur- und Medienbereich entgegen der Darstellung des Kulturrats. Die Länder müssen sich mit dem Bund abstimmen; das tun sie auch; ich fühle mich im Vergleich zu früher in keiner Weise beeinträchtigt.

Eine wesentliche Bedingung für eine weiterhin gute Entwicklung des Kulturföderalismus ist eine fruchtbare Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Kooperation ist im Einzelfall nicht nur mit klarer Verantwortungsteilung vereinbar, sondern verlangt diese geradezu. Auch Freundschaftsspiele laufen schließlich nach klaren Regeln ab. Im Zusammenspiel der genannten Ebenen liegen die Schwerpunkte der Kulturpolitik des Bundes in zwei Bereichen: Zum einen geht es um die Gestaltung der Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur. Und zum anderen geht es um die Förderung dessen, was von nationaler, von gesamtstaatlicher Bedeutung ist.

Ein konkreter Punkt der Zusammenarbeit von Bund und Ländern ist die Kulturstiftung des Bundes und das Vorhaben ihrer Fusion mit der Kulturstiftung der Länder. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag den Willen des Bundes bekräftigt, die schon einmal anvisierte Fusion der Kulturstiftungen des Bundes und der Länder weiterhin zu verwirklichen. Diese Fusion wäre ein klares Zeichen dafür, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als ein Kulturstaat versteht, für den Bund und Länder nach innen und außen gemeinsam die Verantwortung übernehmen.

Die Gespräche mit den Ländern über die Fusion habe ich jetzt verabredungsgemäß nach der Verabschiedung der Föderalismusreform wieder aufgenommen. Aber ich sage Ihnen: Eine Fusion um jeden Preis will ich nicht. Neues Gerangel um generelle Kompetenzfragen mache ich nicht mit. Ich bin daran interessiert, die Zusammenarbeit zu verbessern, um mehr für die Kultur zu erreichen.

Die Fusion muss einen kulturellen und finanziellen Mehrwert haben, so dass ich erwarte, dass die Länder ihren Anteil in einer gemeinsamen Stiftung über die bisherige Summe der Kulturstiftung der Länder hinaus deutlich erhöhen.

Am 8. September hat der Deutsche Kulturrat in einer Pressemitteilung mich für bisherige Erfolge, insbesondere im Hinblick auf den Haushalt gelobt das ist erstaunlich gleichzeitig aber auch gefragt, wie es in der Kulturpolitik weiter gehe. Nun wäre es natürlich verlockend, den großen Bogen zu spannen, grundsätzlich zu werden und für alle Bereiche der Kultur über visionäre Zukunftsmodelle zu reden. Aber da ich weiß, dass die meisten unter Ihnen konkrete kulturpolitische Aussagen erwarten, möchte ich mich darauf konzentrieren. Lassen Sie mich anhand wichtiger Projekte beschreiben, was wir bereits getan haben und was wir tun wollen.

Beginnen will ich dabei mit dem, ohne das es leider nicht geht, mit dem Geld. Wie wir alle wissen, wird in den Haushalten der Länder und Kommunen an der Kultur zunehmend gespart.

Ich bin deshalb besonders stolz darauf, dass es nach einer Steigerung der Kulturausgaben in 2006 wiederum gelungen ist, auf Bundesebene eine Steigerung des nächsten Kulturhaushalts zu erreichen. Er wird im Jahr 2007 im Vergleich zu den im Vorjahr zur Verfügung stehenden Mitteln um 3,4 Prozent wachsen. Das kann sich doch sehen lassen.

Aber es sind noch weitere Erfolge bei der Sicherung positiver Rahmenbedingungen erreicht worden:

Wir haben die Beibehaltung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Kulturgüter von 7 Prozent beschlossen trotz der generellen Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent, die entgegengesetzte Absicht der ehemaligen Regierung Schmidt führte ja vor 25 Jahren zur Gründung des Kulturrates,

wir haben mit dem Folgerecht im Kunsthandel für Künstler EU-weit vergleichbare Bedingungen geschaffen,

wir haben mit der gesetzlichen Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens zum Kulturgüterschutz von 1970 auch dem Kunsthandel in Deutschland und darüber hinaus eine sichere Grundlage gegeben; das war seit 1970 auf der Agenda mehrerer Bundesregierungen, aber endlich im ersten Vierteljahr unserer Amtszeit realisiert.

Wir haben mit der im Kabinett beschlossenen Novelle des Urheberrechts durch den Wegfall der unseligen Bagatellklausel ein wichtiges Signal für den Schutz des geistigen Eigentums von Künstlern und Autoren gesetzt.

Hier konnte ich mich nach harter Kontroverse durchsetzen. Die 5-prozentige Vergütungsabgabe, die ich für höchst problematisch halte, wird jetzt im parlamentarischen Verfahren noch einmal überdacht.

Wir haben der Deutschen Nationalbibliothek mit der Novellierung des Gesetzes eine zukunftsfähige Grundlage geben.

Wir haben gemeinsam mit Baden Württemberg mit dem Neubau des "Literaturmuseums der Moderne" in Marbach einen Ort geschaffen, an dem die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts umfassend präsentiert wird ( Bund und Land je 5,9 Mio. Euro ) .

Unter dem Titel "Anreiz zur Stärkung der Filmproduktion in Deutschland" werden ab 2007 für die Dauer der Legislaturperiode jährlich 60 Mio. Euro für ein neues Konzept zur Filmfinanzierung zur Verfügung gestellt. Das ist ein phantastischer Erfolg für den Erhalt der Filmkultur und für die Filmwirtschaft in Deutschland. Damit erfüllt die Bundesregierung den im Koalitionsvertrag formulierten Auftrag, international wettbewerbsfähige, mit anderen EU-Ländern vergleichbare Bedingungen für unsere Filmwirtschaft zu schaffen.

Ein weiteres Bekenntnis der Bundesregierung gilt der Deutschen Welle. Für sie ist die Zeit der unverhältnismäßigen Sparauflagen vorbei.

Der Auslandssender ist für die Bundesregierung nach wie vor Deutschlands wichtigster Kulturbotschafter in der Welt. Er kann sich jetzt wie der Haushalt 2007 beweist darauf verlassen, aufgabengerecht von der Bundesregierung finanziert zu werden.

Die Bundesregierung hat eine weitere wichtige Haushaltsentscheidung für die Kultur getroffen, die ab 2008 und folgende wirksam werden kann. Der Bund wird sich an der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden in Berlin mit bis zu 50 Mio. Euro beteiligen. Diejenigen, die den Zustand des historisch wertvollen Gebäudes kennen, wissen, dass hier dringend gehandelt werden muss.

Tue Gutes und rede darüber, ich glaube, diese Erfolge können sich sehen lassen.

Was steht nun zukünftig auf der Agenda?

Grundsätzlich möchte ich feststellen, dass ich allein im Hinblick auf die engen finanziellen Spielräume in der Kontinuität meiner Vorgänger stehe und sie in den meisten Bereichen auch mit Überzeugung fortsetzen werde.

Das gilt für unsere Hauptstadt Berlin. Hier sieht sich die Bundesregierung in einer besonderen Verantwortung. Der Bund gibt jährlich in Berlin 350 Mio. Euro für die Kultur aus und trägt damit seiner Verpflichtung gegenüber der Hauptstadt der Kulturnation Deutschland angemessen Rechnung. Mit der langfristigen Sanierung der Museumsinsel ( Finanzvolumen bisher: 1,2 Mrd. Euro ) wird ein Projekt von kulturhistorischer Bedeutung vorbildlich bewältigt.

Auch die besondere Förderung in den Neuen Bundesländern muss fortgesetzt werden, der Nachholbedarf bei Sanierung und Erhalt national herausragender Kulturstätten ist immens. Die besondere Förderung der 20 Leuchttürme steht dafür beispielhaft. Hier habe ich u. a. vor, durch Umstrukturierung und Stärkung der Stiftung Weimarer Klassik ein zusätzliches Zeichen im Hinblick auf den Erhalt kulturellen Erbes zu setzen.

Meine besondere Zuwendung bei unseren Fördermaßnahmen wird aber der zeitgenössischen und innovativen Kunst gelten, die es in Zeiten knapper Kassen sehr schwer hat. Ich denke hier insbesondere an die Literatur, die Bildende Kunst sowie an zeitgenössische Musik und Tanz. In diesem Zusammenhang nimmt die Kulturstiftung des Bundes eine verantwortungsvolle Aufgabe wahr, und diese Aufgabe darf durch eine mögliche Fusion mit der Kulturstiftung der Länder nicht beeinträchtigt werden.

Auf unserer Agenda steht auch die Fortschreibung der Gedenkstättenförderung des Bundes. Hier geht es darum, die Konzeption von 1999 fortzuschreiben mit dem Ziel, die beiden Diktaturen in Deutschland angemessen zu berücksichtigen. Und dabei wird eines unverrückbar klar bleiben: Die NS-Diktatur und der durch sie verursachte Holocaust sind in ihrer menschenverachtenden, grausamen Dimension einzigartig und durch nichts zu relativieren. Die Erinnerung hieran wach zu halten, wird auch in der neuen Gedenkstättenkonzeption des Bundes herausragendes Ziel bleiben.

Im Hinblick auf die Aufarbeitung der SED-Diktaktur soll innerhalb dieses Gesamt-Konzepts dann auch das Gutachten der sogenannten Sabrow-Kommission einbezogen werden. Und ich kann hinzufügen, dass die siebente Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes noch in diesem Herbst in den Bundestag eingebracht wird. Damit wollen wir sicherstellen, dass die Arbeit der Birthler-Behörde effizienter wird, vor allem aber, dass die Möglichkeiten der Überprüfung in bestimmten Fällen auch künftig möglich bleibt. Die Ereignisse in Hohenschönhausen haben uns gezeigt, dass wir auch künftig in der Aufklärung und Information über die SED-Diktatur nicht nachlassen dürfen. Ich habe mich in diesen Tagen mit Frau Birthler auf einen einvernehmlichen Entwurf geeinigt.

Ich möchte ein weiteres Vorhaben ansprechen, das in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit genießt. Wie Sie wissen, beabsichtigt die Bundesregierung in unserer Hauptstadt im Geist der Versöhnung ein "Sichtbares Zeichen" setzen, um in Verbindung mit dem Europäischen Netzwerk Erinnerung und Solidarität an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibung für immer zu ächten.

Die vom Bonner Haus der Geschichte verantwortete Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" soll dabei ein Ausgangspunkt sein. Der europäische Aspekt, der in der Ausstellung "Erzwungene Wege" des Bundes der Vertriebenen im Mittelpunkt steht, wird darin einbezogen. Wir wollen für dieses Konzept auch unsere Partner im Europäischen Netzwerk gewinnen, insbesondere unsere polnischen Nachbarn, so schwierig das angesichts der aktuellen politischen Lage in Polen auch sein mag. Es wird also in Berlin ein Dokumentationsort entstehen, an dem Flucht und Vertreibung aufgearbeitet und in Verbindung mit politischen Ursachen, besonders die nationalsozialistische Terrorherrschaft, dargestellt werden sollen.

Ein sehr zukunftsgewandtes Thema ist die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt. Hier ist es unser Ziel, im Gegensatz zum endlosen Verfahren beim Übereinkommen zum Kulturgüterschutz, diesmal zu den ersten Ländern zu gehören, die diese Konvention ratifizieren. Die deutsche Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2007 gibt meinem Haus zudem die Chance, deutliche Akzente in der europäischen Kulturpolitik zu setzen. Wir werden in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und in Kooperation mit verschiedenen Trägern eine ganze Reihe von Fachveranstaltungen durchführen.

Das klare Nein der Niederländer und Franzosen zum Europäischen Verfassungsentwurf muss auch Konsequenzen für uns Kulturpolitiker haben: Wir müssen Kultur stärker als gemeinsames Erbe Europas begreifen. Die kulturelle Vielfalt ist der eigentliche Schatz unseres Kontinents, und deshalb muss die Kultur eine entscheidende Rolle beim Zusammenwachsen der europäischen Völker spielen. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass eine gemeinsame europäische Identität nur auf dem Fundament der Kultur entstehen kann. Deshalb will ich mich für die Erarbeitung einer Europäischen Kultur-Charta einsetzen.

Diesen Prozess haben Deutschland, Frankreich und Polen auf der Berliner Konferenz für europäische Kulturpolitik 2004 angestoßen, und zahlreiche EU-Mitgliedstaaten unterstützen ihn.

Über diese Projekte hinaus gibt es aber noch andere kulturelle Themen, die uns aktuell bewegen. Lassen Sie mich auf ein Problem kommen, das mich ebenso sehr beunruhigt wie Sie: auf die beabsichtigten Verkäufe von Museumsbeständen.

Ich betrachte es mit großer Sorge, wenn öffentliche Sammlungen aus kurzsichtigen finanziellen Erwägungen dazu angehalten werden, Stücke aus dem ihnen anvertrauten Kulturerbe zu verkaufen. Ich kann nur an alle Länder und Kommunen appellieren, verantwortungsvoll mit unseren Kulturgütern umzugehen. Museen und andere Sammlungen sind die Schatzkammern unserer Zeit und unserer Gesellschaft, die wir für nachfolgende Generationen erhalten müssen. Das gehört zum Selbstverständnis einer Kulturnation. Einmal verkauftes Kulturgut ist in der Regel für die Öffentlichkeit unwiederbringlich verloren. Auch in Zeiten knapper Kassen und harter Sparvorgaben für die öffentliche Hand dürfen Museumsbestände nicht zum Opfer kurzsichtiger Haushaltspolitik werden.

Ein weiteres zentrales Thema ist die soziale und wirtschaftliche Lage von Künstlern. Für mich ist es eine wichtige Aufgabe, an der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstlern mitzuwirken. Die soziale Situation muss uns beunruhigen. Deshalb bin ich froh, dass sich z. B. die Künstlersozialversicherung stabilisiert hat. Ich danke dem Kulturrat für die Mitwirkung am Runden Tisch. Einigen Puristen mag das Instrument der Künstlersozialversicherung als "Sondertatbestand" in der Gesetzgebung für eine einzelne Berufsgruppe ein Dorn im Auge sein. Ich sage: Sie ist das soziale Rückgrat des Kultur- und Medienbetriebs in Deutschland. Und es lohnt jede Mühe, Zweiflern zu erklären, was dieses Rückgrat bedeutet. Es darf nicht geschwächt, sondern muss gestärkt werden.

Wichtig ist es, bei der Gestaltung der Sozial- und Steuergesetzgebung auch zu prüfen, welche Folgen Veränderungen für die oft besonderen Arbeits- und Produktionsbedingungen z. B. freischaffender Schauspieler haben und was das nicht nur für die Kunst, sondern vor allem für die Lage der Künstler bedeutet. Dieser Aspekt ist bei dem zurückliegenden Reformwerk nicht optimal berücksichtigt worden.

Hier gibt es Diskussions- und ggf. auch Änderungsbedarf. Die Diskussion über die Künstlerdienste der Bundesagentur für Arbeit ist ein aktuelles Beispiel: Die Künstlerdienste haben eine große Bedeutung für den Abbau von Arbeitslosigkeit und den Erhalt der künstlerischen Vielfalt in Deutschland.

Die Vorschläge einer drastischen Reduzierung dieser Dienste müssen vom Tisch. Dafür werde ich mich engagieren.

Ich bin deshalb auch sehr dankbar dafür, dass sich auch die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" der sozialen Lage von Künstlern annimmt. Wir werden uns intensiv mit ihren Empfehlungen beschäftigen.

Lassen Sie mich abschließend noch ein Thema ansprechen, das mir besonders am Herzen liegt: die kulturelle Bildung. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur prägt Persönlichkeit und Identität. Sie hat wesentlichen Einfluss auf die individuelle Entwicklung, auf die Entwicklung der Sinne, die Ausprägung von kreativen Fertigkeiten, den emotionalen Ausdruck, die soziale Kompetenz.

Ich denke, dass wir hier in den nächsten Jahren einiges tun müssen, um zu neuen Formen der Vermittlung, neuen Kooperationen zwischen Kultur- und Bildungseinrichtungen, aber auch mit den Medien zu kommen. Den Mitgliedsverbänden des Kulturrates ist dafür zu danken, dass sie seit Jahren nicht nur auf die Probleme der kulturellen Bildung aufmerksam machen, sondern mit ihren Ideen und Maßnahmen sozusagen an vorderster Front arbeiten. Ich möchte hierfür das politische Verständnis stärken, aber auch konkrete Initiativen unterstützen, die sich z. B. auf aktuelle Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung beziehen. Ich denke, dass wir insgesamt in unseren Institutionen ein Potential haben, das bei weitem noch nicht erschlossen ist.

Vieles bewegt sich, und manches Neue steht ins Haus. Der Bund, das versichere ich Ihnen, nimmt seine Verantwortung für die Kulturnation Deutschland sehr ernst.

Ich weiß, dass Sie auch sich selbst in dieser Verpflichtung sehen. In einer der letzten Presseerklärungen hieß es, der Kulturrat sei eine Einrichtung,"die den Staat nicht in Watte packt." Insofern sind die Bundesregierung und der Deutsche Kulturrat, der von uns mit rund 200.000 Euro im Jahr gefördert wird im Sinne meines Zitats von Kaiser Augustus zu Anfang meiner Rede - , wirklich gut befreundet.

Ich hoffe, das wird auch in Zukunft so bleiben.